Siegen. . „Glocken über den Wäldern“ und „Der Eisenwald“ glänzen im Chic des deutschen Heimatfilms. Doch nicht nur deshalb hat das cineastische Zwillingspaar jede Menge gemeinsam.

Filmisch sind sie Zwillinge. Rund 60 Jahre waren der Siegerlandfilm „Der Eisenwald“ und der Sauerlandfilm „Glocken über den Wäldern“ voneinander getrennt.

Die Siegener Firma mundus.tv hat die beiden Streifen restauriert und nun auf einer Doppel-DVD wieder zusammengeführt. Das Prinzip des cineastischen Zwillingspaars ist aus der jüngeren Kinogeschichte vor allem durch „Death Proof“ von Quentin Tarantino und „Planet Terror“ von Robert Rodriguez bekannt. Die Produktionsgesellschaft Herbert Dreyer-Kulturfilm aus Düsseldorf wandte es aber schon in den frühen 1950er Jahren an. Der Begriff „Kulturfilm“ bezeichnet dabei ein Genre, in dem sich Dokumentation und Imagefilm überschneiden. Mit „Der Eisenwald“ wollten Landkreis und Metallindustrie für das Siegerland als modernem Wirtschaftsstandort und Tourismusziel werben – was den Auftraggebern immerhin 41 000 Mark wert war.

Ähnliche Wünsche richteten Landesverkehrsverband und die ansässigen Kreise bezogen auf das Sauerland an „Glocken über den Wäldern“, wofür sie 31 000 Mark springen ließen. Damals sehr viel Geld.

Ästhetik des Heimatfilms

Regisseur Herbert Ladendorff und Kameramann Herbert Apelt hatten jedoch eigene Vorstellungen. „Die haben am Interesse der Geldgeber vorbeigearbeitet“, sagt mundus-tv-Inhaber Alexander Fischbach. „Schlecht für die Auftraggeber – gut für die Filme“, fügt er hinzu. Das Duo sah die Projekte – den Ergebnissen nach zu urteilen – weniger aus einer von kühler Pragmatik bestimmten Perspektive, als von einer cineastischen Warte aus.

Offensichtlich von der Ästhetik des deutschen Heimatfilms geprägt, lieferten sie wunderschöne Schwarz-Weiß-Bilder von Landschaften, Wäldern, Bergen, aber auch aus dem Hauberg, dem Stahlwerk oder dem Bergwerk. Selbst die härteste Arbeit erscheint dank Ästhetisierung noch in romantischem Licht – und nicht wie die üble Plackerei, die eigentlich dahinter steckt. Der Fortschritt der 50er Jahre kommt in der Darstellung recht kurz. „Es ist ein sehr rückwärts gewandtes Bild“, sagt Fischbach. „Es ist eigentlich ein getreues Abbild der 1920er Jahre. Das war von Seiten der Auftraggeber ein Kritikpunkt – und auch ein berechtigter.“

„Der Eisenwald“ hatte 1954 Uraufführung, „Glocken über den Wäldern“ erst 1955. „Sie haben die gleiche Handschrift und gehören thematisch zusammen“, betont Fischbach. Das habe auch der Blick in die Originaldrehbücher bewiesen. Beide Filme beziehen sich aufeinander, weil etwa Siegerländer Eisen zur Weiterverarbeitung ins Sauerland kommt. Sie teilen sich sogar einige Szenen. Mehr noch: mitten in sauerländischen Kirchenbildern taucht ein Blick auf die Siegener Martinikirche vom Kutschenweg aus auf, weil die Produzenten für schöne Bilder und Schnitte in geografischen Fragen auch schon mal Fünfe gerade sein ließen. Den Genuss beim Zuschauen steigert das natürlich – nicht umsonst haben solche versteckten Preziosen als „Eastereggs“ längst Einzug in die Filmkultur gehalten.

Glockengießer in Brilon

Dennoch nahmen beide Produktionen nach ihren Premieren für Jahrzehnte getrennte Wege. „Der Eisenwald“ mit 23 Minuten Länge erschien bereits 2006 in restaurierter Fassung auf DVD. Von einem „Sauerlandfilm“ habe er schon damals gewusst, erklärt Fischbach. Die weitere Recherche führte ihn zu „Glocken über den Wäldern“, der nun ebenfalls restauriert vorliegt.

Der 13-Minüter beginnt in Soest, „heimliche Hauptstadt des Westfalens“, wie die Stimme von Off-Sprecher Mathias Wiemann verkündet. Über Landschaftsaufnahmen geht es zu Glockengießern nach Brilon; dort nämlich verloren in winterlicher Witterung Wanderer erst ihren Weg und dann ihr Leben – und die Glockentöne sollen ihnen wie als akustisches Leuchtfeuer die Route in sichere Gefilde weisen.

Ausdruck des Zeitgeists

Als Hort von Aufbruchstimmung und Innovation präsentiert sich dieses Sauerland in der Tat nicht. Erst drei Minuten vor Schluss ist von „Wandel und Fortschritt“ die Rede, wenn die Handlung zur „westfälischen Wirtschaftsschmiede“ Hagen zieht. Das Sauerland ist zwar als Quelle für diese industrielle Potenz gelobt, doch als wirklicher Bestandteil dieser Welt erscheint es nicht.

„Glocken über den Wäldern“ ebenso wie „Der Eisenwald“ vermittelt dem Betrachter abseits inhaltlicher Dimensionen viel darüber, wie der Blick der Nachkriegszeit auf ländliche Bereiche geprägt war. Die wiedervereinten Zwillinge sind damit vor allem Zeitgeistdokumente. Auch das haben sie übrigens mit dem Kino-Geschwisterpaar „Death Proof“ und „Planet Terror“ gemeinsam. Es hat sich wirklich Einiges getan seit den frühen 50ern.