Siegen. . Fast drei Stunden lang hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts beraten, bevor sie Ersal C. am Montag wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen und Beleidigung zu neun Monaten auf Bewährung verurteilte. Das Gericht erkannte eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des 34 Jahre alten Angeklagten.

Die Anträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten sich dabei nur in Nuancen unterschieden. Sie hatten zwölf bzw. zehn Monate auf Bewährung gefordert (wir berichteten). „Wir haben bloß bei der Frage, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geboten ist, mehr Klimmzüge gemacht“, erklärte der Vorsitzende Richter Münker, warum sich die Beratung trotzdem so lang hinzog.

Kompliziert wurde der Fall, weil der Angeklagte unter zwei Krankheitsbildern gleichzeitig leidet: Ein Gutachter hatte Ersal C. am ersten Verhandlungstag eine Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Anteilen und eine schizophrene Psychose bescheinigt. Die Psychose habe während der Taten jedoch noch nicht vorgelegen. Für die Frage, ob der Angeklagte in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden muss, sei daher nur die Frage ausschlaggebend gewesen, ob von der Persönlichkeitsstörung heute noch eine Gefahr ausgeht. „Diese Gefährlichkeit ist nicht mehr vorhanden“, stellt der Vorsitzende Richter fest.

Zwei Krankheitsbilder gleichzeitig

Zwischen Juli und September 2012 hatte Ersal C. drei Männer geschlagen, von denen er sich jeweils provoziert fühlte. „Er hat die Situationen wegen seiner Krankheit falsch gedeutet“, sagte der Richter, der die „erfreuliche Entwicklung“ hervorhob. Regelmäßige Drogenscreenings beweisen, dass der 34-Jährige keine Drogen mehr nimmt. Außerdem hat er sich inzwischen ein besseres Umfeld gesucht und geht Streitigkeiten aus dem Weg. Eine Vollstreckung der Strafe trüge daher nicht zur Resozialisierung bei, entschied die Kammer.

Die Bewährungsauflagen sollen Ersal C. in seiner Entwicklung bestärken. 200 Arbeitsstunden verordnet das Gericht, 50 mehr als die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer anregte. „Je mehr Arbeitsstunden er ableistet, desto mehr Struktur kommt in seinen Tag“, sagt der Richter. „Er soll raus ins richtige Leben.“

Dauerhaft Medikamente einnehmen

Ebenso viel Wert legt die Kammer darauf, dass Ersal C. dauerhaft Medikamente gegen die Psychose einnehmen müsse. Die hatte er im vergangenen Jahr eigenmächtig abgesetzt, da seine Motorik darunter gelitten habe. Der Sachverständige hatte aber bereits alternative Medikamente ohne diese Nebenwirkung vorgeschlagen. Richter Münker bringt die Bedeutung auf den Punkt: „Die Medikamente sind ganz wichtig, um einen Rückfall zu vermeiden.“