Arnsberg/Siegen. . Im Juli 2011 hat das Siegener Landgericht einen damals 25-Jährigen wegen einer Vergewaltigung zu drei Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile stellte sich jedoch heraus, dass der Mann an Wahnvorstellungen litt. Das Landgericht Arnsberg hob das Siegener Urteil nun auf.

In einem Wiederaufnahmeverfahren hat das Landgericht Arnsberg ein Urteil des Landgerichts Siegen vom Juli 2011 aufgehoben. Ein unter einer schweren psychischen Erkrankung leidender 27-jähriger Siegener wurde vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, weil er zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. Die Unterbringung in den Maßregelvollzug (Forensik) musste aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht angeordnet werden. Das Landgericht Siegen hatte dies im November 2012 in einem weiteren Verfahren um eine Sexualstraftat des Angeklagten bereits getan.

Wie ferngesteuert gefühlt

Apathisch sitzt der Siegerländer auf der Arnsberger Anklagebank und beantwortet kurz und knapp die Fragen des Vorsitzenden Richters Willi Erdmann. Ja, die Medikamente, die er in der Klinik für forensische Psychiatrie erhält, wirkten sich positiv aus: „Ich bin ruhiger.“ Dann nimmt er Bezug auf die ihm zur Last gelegte Tat vom März 2011. „Ich habe mich wie ferngesteuert gefühlt“, sagt er mit langsamer Stimme. „Ich wusste nicht, wie mir geschah.“

In der Nähe des Hermelsbacher Friedhofs hatte der junge Mann eine damals 65 Jahre alte Siegenerin überfallen und in ein Gebüsch gezerrt. Das Opfer leidet bis heute unter den traumatischen Ereignissen. Die 2. Große Strafkammer erspart der Rentnerin eine Zeugenaussage. Auch weil der psychiatrische Gutachter Dr. Michael Mattes (Dortmund) in seinem Gutachten zu einem eindeutigen Ergebnis kommt: Der 27-Jährige ist schwer erkrankt, er leidet unter einer paranoiden halluzinatorischen Psychose. Seine Steuerungsfähigkeit war zum Tatzeitpunkt aufgehoben.

Weiter gefährlich

Der Gutachter attestiert eine schwere Verlaufsform der Krankheit – mit einer „nicht günstigen“ Behandlungsprognose. „Es geht eine weitere Gefährlichkeit von ihm aus.“ Nach seiner Verurteilung zu einer dreijährigen Haftstrafe durch das Landgericht Siegen im Juli 2011 zeigte sich der Mann in der Justizvollzugsanstalt psychisch auffällig und gestand eines Tages den sexuellen Missbrauch eines elfjährigen Mädchens, zweieinhalb Wochen vor der Vergewaltigung der 65-Jährigen. Auch in der Nähe des Friedhofs. Kurz vor dem Übergriff auf die Rentnerin hatte der Mann die Polizei in seine Wohnung gerufen. Er befürchtete, dass seine Nachbarn ihn vergiften wollten. Die Beamten zogen wieder ab. Und der Mann verging sich an der Siegenerin. „Er fühlte sich nach dem Übergriff auf das Kind als Monster und wollte gefasst werden“, so Gutachter Mattes.

Der Sachverständige berichtet, dass der angeklagte Siegener nach der frühen Trennung der Eltern mit fünf Jahren in eine Pflegefamilie kam und bereits in der Schule bei Schlägereien auffiel.

Drogen konsumiert

Nach gescheiterten Versuchen in Einrichtungen des betreuten Wohnens bezog er seine erste eigene Wohnung. Er begann Drogen zu konsumieren und Straftaten zu begehen. Mit 21 wurde ihm ein gesetzlicher Betreuer an die Seite gestellt, spätestens in dieser Zeit leidet er unter Verfolgungswahn, verbunden mit aggressivem Verhalten.

„Es ist relativ spät erkannt worden, dass der Angeklagte schwer erkrankt ist“, sagt Richter Erdmann. Wäre die Schuldunfähigkeit bei dem Prozess im Juli 2011 vor dem Landgericht Siegen bekannt gewesen, hätte ein ganz anderer Richterspruch ergehen müssen. Daher das Wiederaufnahmeverfahren mit dem Ziel, „dieses Urteil zu reparieren“.