Siegen. .

Im Landgericht wurden gestern schmerzliche Erinnerungen wach. Im Prozess gegen zwei junge Siegerländer, die im August 2010 nach angeblicher Anstiftung durch den dritten Angeklagten für diesen Geld eintreiben sollten und mit Baseballschlägern in Siegen in die Wohnung einer jungen Frau eindrangen, ging es am zweiten Verhandlungstag vornehmlich um die persönlichen Verhältnisse der Männer. Dabei kam ein Mord aus dem Jahre 1996 zur Sprache, der einen von ihnen bis heute belastet.

Eltern seien „wie tot“ gewesen

Elsabah S. hat bereits sechs Vorstrafen auf dem Konto, wurde immer wieder für gefährliche Körperverletzungen verurteilt. Seit Dezember ist der junge Mann im Gefängnis, war zunächst in Untersuchungshaft und verbüßt derzeit ein halbes Jahr Jugendstrafe, bevor er zwecks Entziehung in eine psychiatrische Anstalt soll. Insgesamt wurden fünf Jahre gegen ihn verhängt, nachdem er mehrfach wegen gefährlicher Körperverletzung aufgefallen war.

Eine schwere Belastung in seiner Kindheit war der gewaltsame Tod seiner Schwester im Jahre 1996. Das damals sechsjährige Mädchen wurde von einem einschlägig bekannten Sexualstraftäter entführt, vergewaltigt und getötet. Die Tat hatte seinerzeit die gesamte Region erschüttert, der Tatverdächtige brachte sich vor der Verhandlung um.

Seine Eltern seien anschließend „wie tot“ gewesen, hätten für ihn keine Zeit mehr gehabt, äußerte Elsabah S. später gegenüber Sozialarbeitern. Er hatte sich nach einem Bericht der Jugendgerichtshilfe mehrfach um einen Schulabschluss und ein Anti-Aggressionstraining bemüht, war hierbei immer wieder im „heißen Stuhl“ mit seinen verdrängten Gefühlen zusammengebrochen. „Als Sie 2010 hier bei uns in der Jugendkammer gesessen haben, haben Sie gerappt, ‚Ich habe Scheiße gebaut, ich muss mein Leben ändern’“, hielt Richter Wolfgang Münker dem Angeklagten vor.

„Ich habe viel Scheiße gebaut, aber ich konnte nichts tun“, bestätigte der 21-Jährige. Inzwischen hat er seinen Hauptschulabschluss nachgeholt und ein Anti-Gewalt-Training erfolgreich abgeschlossen. Er sei auf einem guten Weg, befand Liz Hartmann von der Jugendgerichtshilfe.

Gleiches wurde Egzon Sa. (20) bescheinigt. Auch er hat Vorstrafen wegen körperlicher Gewalt aufzuweisen. Nach „wilden Jahren“, die etwa bis zur aktuell verhandelten Tat dauerten, war er ruhiger geworden und hatte „Verantwortung übernommen“, wie Bewährungshelfer Helmut Hippenstiehl bescheinigte.

Im Sommer sei er im Kosovo in einem Urlaub verheiratet worden und denke nun verstärkt an die Zukunft. Egzon Sa. habe sich zwischenzeitlich sogar bemüht, seinen Freund Elsabah S. von der Gewalt abzubringen. Der Angeklagte hatte behauptet, am 11. August 2010 nichts davon gewusst zu haben, dass seine Begleiter Böses im Sinn hatten. Er habe sich zurückgehalten. Zwei Zeugen benannten ihn allerdings gestern als Wortführer des Überfall-Trios.

Keine Entlastung durch Zeugen

Der angebliche Anstifter schließlich, der 33-jährige Bexhet D., entpuppte sich, was seine Vorstrafen angeht, eher als harmlose Erscheinung. Der gelernte Kunstschlosser war wegen Besitzes von Betäubungsmitteln und mehreren Verkehrsdelikten aufgefallen, einmal auch wegen Körperverletzung.

Zum kleinen Desaster für Bexhet D. wurde die Vernehmung eines JVA-Beamten, der bestätigen sollte, dass der Angeklagte aus der Haft gar nicht habe telefonieren können. Dieser habe vom ersten Tag an Kontakt nach außen haben können, ohne kontrolliert zu werden, widersprach der Zeuge.

Am Mittwoch in einer Woche sind die Plädoyers geplant.