Siegen/Freudenberg. . Ein Panzer im Naturschutzgebiet: Das Kriegsgerät soll helfen, die einzigartige Landschaft der Trupbacher Heide offen zu halten. So soll der Brutplatz von Vögeln und Amphibien dauerhaft gesichert werden. In den kommenden Jahren könnten regelmäßig Panzer über die Heide brettern.
„Die ganze Zeit über gut festhalten!“ Bundesförster Jürgen Pesch steht in der Luke eines 31 Tonnen schweren Panzers und bereitet uns auf eine ruckelige, unruhige Fahrt vor. Schließlich führt sie über knietiefe Bodenwellen in der Trupbacher Heide. Von den Unebenheiten der Fläche ist im Panzer dann allerdings wenig zu spüren. Beinahe sanft gleitet der lautstark dröhnende Leopard 1 über die Heideflächen und Tümpel des Naturschutzgebiets.
Vier Liter verbraucht der Bergepanzer – auf einem Kilometer. In jeder Umweltzone hätte er damit Fahrverbot. „Das ist schon eine Extremmaßnahme“, sagt Gunar Schüte, der im Bundesforst für weite Teile Westfalens verantwortlich ist. Schüte hält es dennoch für richtig, ausgerechnet ein solches Ungetüm für den Naturschutz zu nutzen. „Wir möchten die Offenlandflächen der Trupbacher Heide offen halten“, erklärt er die Intention. „Da reicht die Beweidung mit Schafen nicht aus.“
Ohne den Panzereinsatz würde sich das Naturschutzgebiet auf der Grenze der Städte Siegen und Freudenberg innerhalb weniger Jahrzehnte in dichten Wald verwandeln. „Davon haben wir im Sauer- und Siegerland genug“, hebt Gunar Schüte die Besonderheit der Heidelandschaft hervor. „Daher halte ich es für richtig, den natürlichen Prozess an dieser Stelle zu unterbrechen.“ Auch der Naturschutzbund Siegen-Wittgenstein unterstützt die Maßnahme.
Der Panzer reißt den Boden auf
Der umgebaute frühere Kampfpanzer der Bundeswehr brettert ohne Rücksicht auf Verluste über geschlossene Heideflächen – wie zuletzt 1992 belgische Panzer auf dem damals noch als Truppenübungsplatz genutzten Gebiet. Am Steuer sitzt der Kreuztaler Bernd Thomas. Aus Interesse an der Technik hat er der Bundeswehr den entmilitarisierten Panzer einst abgekauft.„Dabei hatte ich als Wehrpflichtiger gar nichts mit Panzern zu tun.“
Panzer pflügt die Heide
Heute gehört er einer Reservisten-Arbeitsgemeinschaft an. „Für die Größe der Fläche hätten wir noch einen zweiten Panzer mitbringen sollen“, sagt er. Mit seinem Leopard reißt er auf einer Fläche von mehr als zwei Hektar den Boden der Heide auf, Gestrüpp und Äste bleiben an den Ketten hängen. Jürgen Pesch gibt aus der hinteren Luke heraus das Kommando, welche Stellen angefahren werden sollen.
Panzer bald regelmäßig auf der Heide?
„Diese Heide ist überaltert“, erklärt Gunar Schüte die ungewöhnliche Maßnahme. „Der Panzer zerfetzt die Vegetation und schafft Flächen, auf denen sie sich verjüngen kann.“ In zwei bis drei Jahren sprießt frisches Heidekraut in den aufgerissenen Fahrspuren. Damit bleibt die Fläche für die Heidelerche interessant, die in Südwestfalen ausschließlich in der Trupbacher Heide vorkommt. Der Vogel baut sein Nest am Boden, das aufgerissene Erdreich bietet ihm den nötigen Schutz.
Bis zu 70 Kilometer kann der 830 PS starke Panzer in einer Stunde zurücklegen. Wir sind deutlich langsamer unterwegs und trotzdem weht uns eiskalter Wind ins Gesicht. Inzwischen fängt es an zu schneien. Vor einem Tümpel bremst der zweite Fahrer Ingo Weber ab und manövriert den Panzer vorsichtig durch das aufgestaute Regenwasser. Wir müssen die Köpfe einziehen, um nicht von den Ästen der umstehenden Bäume getroffen zu werden.
Laichplätze für Amphibien erhalten
Neben Bodenverletzung ist Bodenverdichtung das Hauptanliegen des Bundesforsts, dem das geschützte Gebiet gehört. Das Gewicht des Panzers drückt das Erdreich zusammen, damit der Regen, der sich in Kuhlen sammelt, nicht so schnell versickert. „Das Wasser soll länger stehen bleiben, damit Amphibien dort laichen können“, erklärt Schüte. Molche, Frösche und Kröten leben in der Trupbacher Heide.
„Mehr oder weniger zum Selbstkostenpreis“ erledigt Bernd Thomas nach eigenen Worten den Auftrag des Bundesforsts. Keine 2000 Euro kosten die mehrstündigen Arbeiten. „In der Zeit und zu dem Preis bekommen Sie das sonst nicht“, sagt der Hobby-Panzerfahrer. Sollte sich die Heide wie gewünscht verjüngen, dürften bis zur nächsten Panzerfahrt auf der Trupbacher Heide nicht wieder zwölf Jahre vergehen, kündigt Gunar Schüte an: „Dann würden wir das wohl alle paar Jahre wiederholen.“