Weidenau. . Wenn einmal im Jahr Harald Jungs berühmt-berüchtigte Rundmail im Postfach aller Mitarbeiter der Uni Siegen landet, gibt es ein kollektives Aufstöhnen. Es ist mal wieder soweit. Der Leiter der Bereiche Elektrische Energie- und Aufzuganlagen (Dezernat 5.27) der Uni Siegen kündigt an, der Hochschule den Saft abzudrehen. Kein Campus bleibt verschont.
An drei Wochenenden im Sommer geht die Uni, eine Liegenschaft nach der anderen vom Netz. Harald Jung weiß, dass sich so mancher Nutzer deswegen die Haare rauft und fragt, ob das denn wirklich sein muss. Harald Jungs Antwort lautet ganz klar: Ja. Die Stromabschaltung ist notwendig, um Wartungs- und Erneuerungsarbeiten am universitätseigenen Mittelspannungsnetz (10 000 Volt) und am Niederspannungsnetz (400/230 Volt) durchzuführen. „Wir sind dazu verpflichtet, unsere Anlagen an den Stand der Technik anzupassen“, so Jung. Manche Wartungen, Umbaumaßnahmen oder Erweiterungen können nur im „spannungsfreien Zustand“ durchgeführt werden.
Netzanlagen ausgetauscht
Die Universität Siegen ist über 40 Jahre alt. Einige Netzanlagen kann man technisch nicht mehr nachrüsten oder es macht wirtschaftlich keinen Sinn mehr. „Die haben wir dann in den vergangenen Jahren im Rahmen der Stromabschaltungen in Wochenendarbeiten komplett erneuert.“ An diesen Terminen sind nicht nur Harald Jung und seine acht Mitarbeiter im Sondereinsatz, sondern auch die Fremdfirmen, zum Beispiel RWE und Siemens, die an bestimmten Betriebseinheiten Wartungsarbeiten durchführen. „An diesen Tagen stehen wir – im Gegensatz zur Uni selbst – mächtig unter Strom“, schmunzelt Jung. Nach der ersten Mail mit der Ankündigung der Abschaltung melden sich in der Regel diejenigen, die eine Notstromversorgung brauchen. Versuchsanlagen in der Chemie, Kühlgeräte oder auch die Beleuchtung in den Laboren. „In der Biologie zum Beispiel müssen die Pumpen der Aquarien weiterlaufen und die Vögel sollen auch nicht im Dunkeln sitzen.“ 70 bis 80 Gerätschaften müssen über fliegende Leitungen mit Notstrom versorgt werden.
Nach den Wartungs- und Erneuerungsarbeiten herrscht immer eine gewisse Anspannung. „Bekommen wir das Netz wieder problemlos ans Laufen?“ Größere Pannen bleiben in der Regel aus. Trotzdem sind die Mitarbeiter im Dezernat 5.27 auch noch Tage nach der Stromabschaltung im Dauereinsatz. „Irgendjemand hat immer vergessen seinen PC auszumachen oder beklagt sich, weil eine Sicherung rausgeflogen ist.“ Für Harald Jung und seine Kollegen ist es sehr wichtig, dass ihre Hinweise auf die Stromabschaltung ernst genommen werden. Sind die Arbeiten an den drei Campusbereichen erledigt, atmen alle Beteiligten erleichtert auf. Bis zum nächsten Jahr, wenn Jung wieder seine Mail verschickt. Aber es muss ja sein.
Uni unter Strom
Die Universität verfügt in den einzelnen Liegenschaften über zehn Mittelspannungsschaltstationen mit 18 Trafoanlagen mit einer Gesamtleistung von über zehn Mega-Watt (1 MW entspricht 1000 Kilowatt). Diese Anlagen transformieren die Eingangsspannung des Energieversorgers von 10 000 Volt auf 400/230 Volt. Zur Gewährleistung des sicheren Betriebs nach den einschlägigen Vorschriften betreibt die Universität vier Netzersatzanlagen (Notstromdieselaggregate) mit Leistungen von 150 bis 400 KW. Diese Aggregate versorgen wichtige Anlagen wie zum Beispiel die Neutralisationsanlagen (dort werden Abwässer aus dem Chemiebereich behandelt) oder die Zu- und Abluftanlagen der Chemie-Bauteile sowie eine größere Anzahl von Aufzuganlagen. Um den absolut unterbrechungsfreien Betrieb von weiteren sicherheitsrelevanten Anlagen und einem großen Teil der Netzwerkinfrastruktur zu gewährleisten, werden noch 30 zentrale und dezentrale Batterieanlagen mit Leistungen von 1,5 bis 160 KW betrieben.