Siegen. . Zusammen mit zwei Kommilitonen gründete Zohra Soori-Nurzad das Projekt „Stitching for School and Life“. Frauen in Afghanistan stellen kunstvoll bestickte Kleidung her, die in Deutschland verkauft wird. Die Erlöse gehen an die Produzentinnen. Und Zohra und ihre Mitstreiter haben noch viel vor.
Die staubige Luft, der Geruch und dieses strahlende Licht. Als Zohra Soori-Nurzad nach langer Zeit wieder in Kabul landet, atmet sie tief ein und saugt das Land mit allen Sinnen auf. Die junge Frau fühlt sich wieder komplett. Lang hatte sie ihre Heimat Afghanistan in Gedanken weggeschoben. Zu tief die Wunden, die der Krieg hinterlassen hatte, der Krieg, wegen dem sie als Zehnjährige 1995 mit Vater und Bruder nach Wilnsdorf geflohen war. Nein, dieses Afghanistan wollte Zohra Soori-Nurzad nicht mit in ihre Zukunft nehmen.
Doch das ändert sich in jenen Minuten am Flughafen. Dort fasst sie den Entschluss: „Ich möchte helfen.“ Anderen Frauen eine Perspektive geben. „Weil ich einfach Glück hatte“, sagt die 28-Jährige heute. Sie ging in Wilnsdorf zur Schule und studiert heute Kunst auf Lehramt an der Uni Siegen. Auch sie könnte heute in dem zerbombten Land leben, aus Angst vor den Taliban das Haus nicht verlassen, in einer Lehmhütte ohne Fenster den Winter bei bis zu Minus 40 Grad verbringen. Als Frau ein unterdrücktes Leben führen. „Ich würde mich auch freuen, wenn da jemand ist, der mir hilft“, sagt die 28-Jährige. „Nichts zu tun, wäre falsch.“
Handgefertigt von Frauen aus Kabul
Zusammen mit den Medienstudenten Johst Schuhmacher (22) und Tim Konow (23) gründet sie das Projekt „Stitching for School and Life“ (Sticken für Schule und Leben). Die Studenten möchten handgefertigte Schals, Oberteile oder Taschen verkaufen, die von sieben Frauen in Kabul hergestellt werden. Darunter fünf Witwen mit Kindern und zwei alleinstehende Frauen. Das Geld wird an diese Frauen weitergeleitet.
„Die Frauen in Afghanistan können wunderbar stricken und sticken. Die Handgriffe werden in den Familien weitergegeben“, erzählt Zohra Soori-Nurzad und wickelt einen weinroten Schal von ihrem Hals, den ihr eine Frau in Kabul bestickt hat.„Ich gab ihr 50 Euro für einen Schal und ein Oberteil und sie bedankte sich für die Spende. Ich musste ihr dann erst erklären, dass das ein Lohn war, keine Spende. Geld für ihre Arbeit. Sie konnte es gar nicht glauben und war sehr stolz.“ Sie ist eine der Frauen, die mit dem Projekt unterstützt werden.
Zudem planen die Studenten, mit Spenden eine Nachhilfeklasse für 20 Waisenkinder zu finanzieren. „Denn Bildung ist das allerwichtigste, um den Menschen eine Zukunft zu geben“, sagen die Studenten. „Wir können leider nicht allen helfen, aber das ist ein Anfang“, sagt Zohra Soori-Nurzad und zeigt ein paar Fotos, die sie im August in Kabul gemacht hat. Straßenkinder, die in Müllcontainern wohnen, ein Dreikäsehoch, der auf dem Boden sitzt und in einem Topf rührt, große dunkle Augen, die von Hoffnung und Leid erzählen.
Foto mit Botschaft am Produkt
Tim Kronow (23) und Johst Schuhmacher (22) waren von der Idee sofort begeistert. „Wir lernen hierbei auch eine Menge für uns privat“, erzählt Johst Schuhmacher. Bislang habe er an Weihnachten gespendet, aber mit dem Projekt sei die Hilfe viel konkreter. Geplant ist zum Beispiel, an jeden Schal ein Schildchen zu hängen mit einem Foto von der jeweiligen Frau und einer Botschaft. Damit die Hilfe ein Gesicht bekommt.
Birkenhof verkauft die Textilien
Im Februar werden die drei Studenten aus Siegen einen Verein gründen, um den Verkauf zu starten. Zwei Biomärkte in Siegen werden die Textilien anbieten und auch der Birkenhof in Wilgersdorf. Geplant ist auch ein Online-Shop. Zohra Soori-Nurzad hält Vorträge an Schulen und an der Uni, um auf die vergessenen Frauen und Kinder in Afghanistan aufmerksam zu machen. „Auch wenn die Bundeswehr abzieht, müssen wir weiter hinschauen. Gerade dann“, fordert sie.