Altenseelbach. .

1974 wurde der Förderturm abgebrochen, in den 1990er Jahren die Reste der Flotation. Die Grube Große Burg war schon 1959 geschlossen worden – das Ende einer Eisenerzförderung, die um 1700 in der Alten Gleiskaute begonnen hatte. Alles Vergangenheit? Als Karl Heupel mit der Arbeit für sein Buch „Bergbau im Siegerland. Grube Große Burg“ begann, war die Geschichte sehr gegenwärtig. Hermann Held war gerade unterwegs, alle Gruben seiner Heimat aufzusuchen. „Mit ihm bin ich durch die Gegend gezogen“, erzählt Heupel.

Für Einsteiger und Experten

Hermann Held ist im April im Alter von 82 Jahren gestorben. In dem Buch hat Karl Heupel, Grundschullehrer und Freizeit-Montanhistoriker, dem Altenseelbacher ein kleines Denkmal gesetzt. Und nicht nur das: Das Werk ist Geschichts- und Naturkundebuch zugleich, eine Fundgrube, in der ambitionierte Bergbau-Amateure ebenso auf ihre Kosten kommen wie alte und junge Leser, die immer schon einmal verstehen wollten, wie das eigentlich funktioniert hat mit dem Erzabbau in Gruben und Stollen. Die Spanne der Abbildungen reicht von der Schwarz-Weiß-Ortsansicht und Gruppen-Fotografien der Bergleute und Haldenjungen bis zu Farbaufnahmen von Ortsbesichtigungen in den 1990er Jahren, Innenansichten der Stollen und — aus der Sammlung von Gerd Helsper – Makroaufnahmen der Mineralien aus dem Revier um Neunkirchen und Herdorf.

Gelegenheit und Carolinen­glück, Carlshoffnung und Silberart — Namen von Gruben, wie sie 1906 auf der Altenseelbacher Karte verzeichnet waren. Keine idyllischen, sondern gefährliche Orte. „Die Toten machten den Eindruck, als ob sie schliefen“, berichtete der Reporter von dem Grubenunglück im März 1907, „die Gesichter hatten die lebensfrische Farbe auch nach Stunden nicht verloren.“ Ein Stollen war eingestürzt, Kohlengase konnten nicht abziehen, vier Bergleute erstickten. „Der Tod hat reiche Ernte unter den jungen, tapferen Leuten gehalten.“ In den Todesanzeigen von Vorstand und Belegschaft ist viel von „Heldenmut“ und „Pflichttreue“ die Rede. Der Gesangverein Eintracht gestaltete seinen Nachruf auf den singenden Waschmeister weniger martialisch: „Wir aber streuen Rosen und blaue Kornblumen auf sein frühes Grab.“

Hermann Held hat es geschafft, allen Männern Namen zuzuordnen, die auf der Postkarte zum 100-jährigen Bestehen der Gruben Lohmannsfeld und Große Burg im Jahre 1938 abgebildet waren. Da waren die Altenseelbacher Gruben schon längst im Besitz der Vereinigten Stahlwerke. Die hatten das Unternehmen 1926, als die Belegschaft etwa 150 Mann stark war, von der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks-Aktiengesellschaft („Deutsch-Lux“) übernommen.

Ergiebige Spurensuche

„Die Grube hatte für jeden einen Arbeitsplatz“, berichtete Hermann Held. Bilder zeigen die „Haldenjungen“. In den Pochwerken und in der Aufbereitung arbeiteten auch Frauen — sie wurden „Erzengel“ genannt. Weniger nett klangen die „Hahlmoggen“: Gemeint waren Frauen und Mädchen, die auf den Halden („Hahlen“) minderwertiges Gestein aussortierten. Eine von ihnen war Maria Homscheid, die ihren Kameradinnen in den Pausen Gedichte und Erzählungen vorlas. Und selbst welche schrieb. Die dichterische Freiheit, die „Hahlmoggen“ zu „Glanzdamen“ zu verwandeln, hat sie sich selbstredend genommen.

Für Karl Heupel hört der Bergbau nicht da auf, wo sich der Transport der Kohle zum Erz endgültig nicht mehr rechnete. Nach dem Streifzug von der Erzförderung zur Erzaufbereitung kommt der Autor, der auch schon ein Kinderbuch über den Bergbau herausgegeben hat, zur Spurensuche: „Was ist geblieben?“ Von der Grube Gute Hoffnung das Stollenmundloch und das Grubengebäude, von der Grube Lohmannsgeld — in der gleichnamigen Straße — die Ladetaschen für die Grubenwagen, von der Grube Große Burg die zum Wohnhaus umgebaute Schlosserei. Und, aus dem Hang herausragend, ein Stück Schiene der Gleise zur Flotation. Verrostet.