Siegen. . Das Klicken des Hammers auf Beton hallt unter dem riesigen Bauwerk. Es ist eigentümlich still, obwohl wenige Meter über dem Kopf der Verkehr donnert. Betonbrösel rieseln auf die Plattform unter der Siegtalbrücke, 11 Meter unter der Fahrbahn und 50 über den Baumwipfeln.
Das Klicken des Hammers auf Beton hallt unter dem riesigen Bauwerk. Es ist eigentümlich still, obwohl wenige Meter über dem Kopf der Verkehr donnert. Betonbrösel rieseln auf die Plattform unter der Siegtalbrücke, 11 Meter unter der Fahrbahn und 50 über den Baumwipfeln. „Riss 30 breit, 40 lang“, ruft der Mann im Mast der Plattform Thorsten Ziolek zu. Ziolek trägt Position, Art und Verlauf des Schadens in einen Aufriss der Brücke ein und vergleicht später mit den Ergebnissen der letzten Brückenprüfung.
Eine schwindelerregende Konstruktion krallt sich spinnenartig an die Siegtalbrücke. Das Untersichtgerät wird von einer Art Kran auf der Fahrbahn gehalten, ein Metallarm führt zur Plattform unter der Brücke, von der die schwankenden Untersuchungsgerüste wieder unter das T-förmige Profil ragen. Stück für Stück fahren Ziolek und seine Männer die Bereiche zwischen den fast 100 Meter hohen Pfeilern ab, sichten jeden Quadratmeter Beton auf Schadstellen. Zwei oben, Ziolek unten, einer steuert die Plattform. Der Weg zu ihrer Arbeit führt über eine lange Leiter in einer schmalen Röhre, durch die ein kräftiger Mann kaum passt. „Die Oberschenkel sind fit“, grinst der Mann am Steuer.
Ganz andere Anforderungen
Ziolek guckt fast jeden Tag im Jahr unter Brücken, acht Tage lang hat das Team im Juli für die Pfeiler in Fahrtrichtung Dortmund gebraucht. Im Idealfall liegen die Termine im Sommer – acht Stunden in luftiger Höhe sind zugig –, aber die Anforderungen sind riesig: 200 Brücken hat der Landesbetrieb Straßen NRW seit 2011 geprüft. 600 warten noch. Mindestens.
„Unsere Aufgabe ist es, 800 Brücken, besonders große und an Transitstrecken im Land statisch nachzurechnen und eine Sichtprüfung durchzuführen“, sagt Dieter Reppenhorst, Abteilungsleiter Bau der Hammer Niederlassung von Straßen NRW. Viele Autobahnbrücken wurden vor dem zweiten Weltkrieg bzw. zwischen 1960 und 1980 gebaut, und damals herrschten noch ganz andere Anforderungen: Das maximale Lkw-Gesamtgewicht etwa betrug 20 Tonnen, heute sind es 44. Der Verkehr verlagerte sich von der Schiene zusehends auf die Straße, vom erhöhten Verkehrsaufkommen gar nicht zu reden. Reppenhorst und seinen Leuten liegen die Blaupausen vor, sie vergleichen: Kann die Brücke von damals die heutige Belastung tragen?
„Niemand muss befürchten, dass die Brücke unter ihm zusammenbricht“, sagt Reppenhorst. Die Siegtalbrücke wurde beispielsweise für 60 Tonnen ausgelegt. Trotzdem nagt der Verkehr an ihr, hinzu kommt Belastung durch Umwelteinflüsse: Im Sommer heizt sich die Fahrbahn auf bis zu 80 Grad auf, darunter herrschen 30 Grad. „Die Konstruktion ist halbstarr, das Eisen kann nachgeben, aber Beton bricht“, sagt Reppenhorst. Überall wurden Risse bereits geflickt.Wird bei Statik- und Sichtprüfung festgestellt, dass die Brücke nicht ausreichend trägt, werden Sofortmaßnahmen verhängt: Weniger Laster gleichzeitig, Überholverbot, Tempolimit, keine Schwertransporte. Im zweiten Schritt werden Spanneisen im Bauwerk verankert, die die Lasten aufnehmen und die Brücke verstärken. Dann ist sie wieder voll fit. Erstmal.