Burbach. . Blick hinter das Eingangstor der alten Kaserne Burbach, wo bald 500 Menschen aus Krisenländern in der Notunterkunft ein erstes Zuhause in Deutschland finden.
Die Straße dampft. Es hat gerade geregnet oder fängt wieder an. So genau kann man das hier oben auf der Lipper Höhe nie sagen. Die ehemalige Siegerlandkaserne liegt auf knapp 560 Metern, wo der Regen auch schnell zum Hagel wird. Üppige Fichten säumen den Weg. Auch bei Tag ist es ungewöhnlich schattig. Nur wenige Autos rollen die nasse Straße hinab. Wer zur Kaserne will, hat die Kaserne zum Ziel. Zufällig kommt keiner. Betrieb herrscht trotzdem, weil das Land einen Teil des Geländes gemietet hat, um dort Notunterkünfte für Flüchtlinge herzurichten. Die Lokalpolitiker waren da. Die Heizungsinstallateure sind da. Und Hausmeister Thomas Müller ist eh immer da.
Magische Anziehungskraft
„Sie glauben gar nicht, wer hier alles gucken kommt“, erklärt Hausmeister Müller und vergräbt die Hände in den Taschen seiner grünen Hose. Eine ehemalige Kaserne ziehe die Menschen eben magisch an. Es ist der Geist der Vergangenheit, manchmal aber auch schlicht kriminelle Energie. Deshalb hat Müller alle Autos, die durch die geöffnete Schranke fahren, genau im Blick. Er arbeitet seit Anfang des Jahres für Axel Ebbecke, der die ehemalige Kaserne 2006 kaufte und als Gewerbepark Siegerland vermarktet.
Eigentlich ist Müller für alles zuständig, heute hauptsächlich dafür, die Presse abzuwimmeln. Freundlich, aber bestimmt, mit breitem Kreuz und breitem Lächeln: „Sorry.“
Vier Blocks, so nennen die Burbacher die großen Häuser, in denen mehr als 40 Jahre lang Soldaten schliefen, und die Gemeinschaftskantine, werden hergerichtet – Brandschutz, Heizungen, Sanitäranlagen optimiert auf Kosten des Landes. Für den Eigentümer ein gutes Geschäft. Standen diese Gebäude doch bislang größtenteils leer.
Der Rasen ist frisch gemäht, die Haselnusssträucher gestutzt, Dachdecker flicken ein Dach. Am Vormittag buddelten die Arbeiter Löcher in den Boden und trieben Pfosten in die Erde. Das gesamte Gelände für die Notunterkunft wird umzäunt. Mit grünen Doppelstabmatten, die so dicht sind, dass sie keiner hinaufklettern kann. Niemand kommt hinein und auch niemand hinaus. Ein Sicherheitsdienst wird das Gelände zudem bewachen, sobald die ersten Flüchtlinge Ende September nach Burbach kommen. Vorgesehen ist, dass die Asylbewerber jeweils einige Tage in Burbach bleiben. In der alten Kaserne werden sie registriert, medizinisch versorgt und dann auf andere Asyleinrichtungen des Landes verteilt.
Burbach international
Regen trommelt auf die Produktionshalle. Und die Stimme von Jens Zöllner wird laut: „Die Menschen mussten um ihr Leben fürchten. Das ist doch ganz klar, dass wie ihnen helfen.“ Seine Firma Kunststoff-Produkte Zöllner liegt direkt neben der zukünftigen Notunterbringung. Wenn sich der Westen schon nicht gegen Assad wehre, sei das doch „das Mindeste was wir für die Menschen in Syrien tun können“. Klar haben die Mitarbeiter darüber gesprochen, vor zwei Wochen hatten sie schon davon gehört. Gerüchte nur, offiziell wurde es erst mit den Zeitungsartikeln gestern. Mit seiner Firma zog Zöllner vor sechs Jahren auf das alte Kasernengelände. Die Firma, spezialisiert auf Kunststoff-Paletten und Produkte aus Acrylglas, wächst stetig. Platz ist ja genug.
Gebratene Wildschweinwurst
Angst vor Fremden ist hier oben nicht zu spüren. Sie gehören ja auch schon immer dazu in Burbach: Bis Frühjahr 1987 war die US-Armee hier oben stationiert. An den Wochenenden feiern türkische Familien in der alten Dreifachturnhalle gigantische Hochzeiten – mit Gästen aus den Niederlanden und ganz Deutschland und in einem Block wohnten lange Zeit Montagearbeiter aus Polen. Nur beim Imbiss hinter der Schranke bleibt die Küche deutsch – wer’s mag, hat die Wahl zwischen gebratener Wildschweinwurst im Brötchen, Spießbraten mit Zwiebeln für vier Euro oder gar nichts. Denn die Öffnungszeiten sind flexibel. Aber Frierende bekommen auch bei Zöllner einen dampfenden Kaffee angeboten. Fremde sind eben willkommen.