Siegen. . Bislang war das Verfahren gegen den Siegerländer, der am 3. Dezember seine ehemalige Schwiegermutter angriff und schwer verletzte, durch konträre Positionen geprägt. Bei der jüngsten Verhandlung gab es etwas überraschende Einmütigkeit.

Staatsanwalt Stephan Krieger und Verteidiger Andreas Trode beantragten übereinstimmend zwei Jahre auf Bewährung für gefährliche Körperverletzung. Für beide ist der Vorwurf des versuchten Totschlags nicht mehr haltbar. Die Angehörigen des Opfers reagierten hörbar verstimmt.

Zunächst hatte Gutachter Dr. Michael Mattes erläutert, warum bereits die zugelassene Anklage eine stark eingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten annimmt. Von den Angaben des Mannes ausgehend, attestierte ihm der Psychiater für die Tatzeit eine starke Labilität und Anspannung, die sich in einer Affekthandlung entladen habe.

Der Angeklagte habe sehr wohl noch gewusst, dass die Schläge mit dem wuchtig wirkenden Küchenbrett – das gestern auch in Augenschein genommen wurde – sowie das Zuhalten der Atemwege gefährlich und potenziell tödlich seien. Er habe sich aber gegen sein eigenes Tun nicht mehr wehren können, sei erst durch die Schreie der Nachbarin am Küchenfenster zu sich gekommen.

Für Dr. Mattes stand fest, dass sich der Angeklagte während der Ehejahre von seiner Schwiegermutter zurückgesetzt und ständig gehänselt gefühlt hatte. Nun habe er einmal mehr seiner Ex-Frau zugestehen müssen, die Kinder am Heiligen Abend nicht zu bekommen und sich zusätzlich am Tag vor dem Geschehen mit seiner aktuellen Lebensgefährtin gestritten. Beim Besuch des Opfers habe er derart belastet alles auf eine Karte gesetzt, gehofft, einmal von ihr unterstützt zu werden – und sei wieder enttäuscht worden. Das seien lehrbuchhafte Umstände einer Affekthandlung, ebenso die spätere Reaktion, sich selbst töten zu wollen.

In Aussagen selbst belastet

Gehe die Kammer allerdings von der Version des Opfers aus, dass der Täter auch Geld gewollt habe, dass er sogar zu ihr gesagt habe, „da hast Du aber Glück gehabt“, als er von ihr abließ, sei eine Schuldmilderung wegen Affekt weniger wahrscheinlich.

Der Staatsanwalt folgte der ersten Hypothese und gestand dem Angeklagten in diesem Zusammenhang zu, straffrei vom Versuch der Tötung zurückgetreten zu sein. Er habe in dem Augenblick, als er die Nachbarin am Fenster erblickte, entschieden, von der Seniorin abzulassen und sich anschließend durch den versuchten Suizid mit einer lebensbedrohlichen Dosis Tabletten und der Fahrt in den verschneiten Wald ernsthaft selbst bestrafen wollen. Damit bleibe nur eine gefährliche Körperverletzung. Der 39-Jährige sei ohne Vorstrafe und Polizeierfahrung, habe sich in seinen Aussagen auch selbst belastet: „Wäre er geschickter gewesen, hätte es durchaus sein können, dass die Sache nicht einmal vor das Schwurgericht kommt.“ Krieger wünschte dem Angeklagten, die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin fortsetzen zu können und beantragte zugleich, das Kontaktverbot zu den Kindern aufrechtzuerhalten.

Andreas Trode stimmte zu, ging auch noch einmal ausführlich auf die vom Opfer und ihrer Familie bestrittene „Hospes“-Problematik ein. Mit Blick auf frühere Entscheidungen der Kammer unterstrich er die – von diesem Geschehen abgesehen – anständige Lebensführung seines Mandanten, der es immerhin geschafft habe, trotz angespannter finanzieller Situation den Unterhalt für seine Kinder immer zu bezahlen. Er könne „aufrichtig und überzeugt“ eine Bewährung beantragen.

Anderer Meinung war der Nebenklagevertreter aus Köln. Gerhard Schaller zog die Angaben des Angeklagten in Zweifel und ging von einer versuchten Tötung aus. Wer von einem Zeugen beobachtet werde und daher sein Tun aufgebe, handele nicht unbedingt freiwillig. Einen konkreten Antrag stellte Schaller nicht, äußerte sich aber bezüglich einer Bewährung eher skeptisch. Er warf dem Angeklagten vor, sich „mit keiner Silbe“ beim Opfer oder seiner Ex-Frau entschuldigt zu haben.

Angeklagter gibt sich einsichtig

Dieser bedauerte im letzten Wort sein Tun und äußerte sich erleichtert, dass die Seniorin „zumindest körperlich“ über die Tat hinweg sei. Er hoffe, dass sie wieder ganz genese und wisse sehr genau, „was ich getan habe“. Er werde dies sein ganzes Leben nicht vergessen können. Er wünsche sich dennoch, wieder Kontakt zu seinen Kindern haben zu können, auf den er aktuell bewusst verzichtet habe. Wollten diese ihn nicht mehr sehen, komme für ihn wohl nur ein Wegzug aus dem Siegerland in Betracht: „Siegen ist ein Dorf.“ Dann müsse er anderswo ein neues Leben beginnen, hoffe aber darauf, zumindest brieflich mit den Kindern verbunden bleiben zu können.

Das Urteil wird am Freitag verkündet.