Siegen. . Für Hans Belz ist es zu laut. Und zwar entschieden zu laut. Mit sechs weiteren Anwohnern aus der Altstadt rund um die Untere Metzgerstraße wendet er sich in einem offenen Brief an Bürgermeister Steffen Mues.

Die sieben klagen darüber, dass sie schon jetzt „kaum ausreichend Schlaf bekommen durch diverse Feten und Gelage“ in der unmittelbaren Nachbarschaft. Insbesondere drei Studenten-WGs sind ins Visier der Briefschreiber geraten. Ihre Befürchtung: Wenn Teile der Universität ins Untere Schloss einziehen, werden die Belästigungen noch zunehmen.

Unterschiedlicher Lebensrhythmus

Schon jetzt sei die Gegend in der warmen Jahreszeit „unbewohnbar“, sagt Hans Belz: „Wir können uns gar nicht richtig auf den Sommer freuen.“ Kommen noch mehr Studenten in die Altstadt, so seine Schlussfolgerung, werde es noch unerträglicher. Das bedeutet nicht, dass die sieben Siegener die Studenten per se ablehnen. „Wir heißen jeden jungen wie alten Menschen in der Altstadt willkommen“, heißt es im Brief, „wenn er sich in die Gemeinschaft einfügt“.

Im Falle zumindest einiger Studenten hat Hans Belz jedoch so seine Zweifel, ob sie aus seiner Sicht tatsächlich in die Nachbarschaft passen würden. Schließlich unterscheide sich das Studentenleben von dem eines Arbeiters oder Angestellten. „Ich würde als Student lange im Bett liegen bleiben und mir die Vorlesungen so legen, wie ich will.“ Die Briefeschreiber „vermissen bei den meisten Neuankömmlingen allerdings Toleranz gegenüber ihren Nachbarn“. Zudem kritisieren sie „die Ignoranz geltender Regeln“.

„Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich umziehen“, sagt Hans Belz. Mit dem Radau arrangieren kommt für ihn nicht in Frage. „Denn eines ist klar, Lärm macht krank.“ Und auf ein Entgegenkommen der nächtlichen Krachschläger hoffen er und sein Mitstreiter schon gar nicht. Ganz im Gegenteil: Eine Nachbarin, die sich über die Belästigungen, die regelmäßig weit nach 22 Uhr die Anwohner um ihren Schlaf bringen sollen, sei verhöhnt worden.

„Romantische Vorstellungen“?

Vielmehr appelliert die Gruppe an die Politik, ihre „Visionen“ in Sachen studentisches Wohnen im Quartier zu überdenken. „Unsere Lebensqualität hat sich mit dem Einzug studentischen Lebens in die Altstadt drastisch verschlechtert“, schreiben die sieben. Und stellen zugleich die Fragen: „Sind wir alteingesessenen Altstadtbewohner aufgrund einer geplanten Stadtentwicklung diejenigen, die nun auf ‘zu neuen Ufern’, also wegziehen müssen? Müssen wir uns mit den gegebenen kranken und krankmachenden Zuständen abfinden?“

Bürgermeister Steffen Mues ist derzeit im Urlaub, eine Stellungnahme seitens der Stadt war gestern auf Anfrage nicht zu bekommen. In dem offenen Brief wird allerdings auch Detlef Rujanski, Geschäftsführer des Studentenwerks Siegen, angesprochen: Die Unterzeichner laden ihn ein, „sich für die Sommermonate hier einzuquartieren (... ). Er würde mit Sicherheit von seinen romantischen Vorstellungen geheilt sein und danach sehr gerne in sein ruhiges Heim zurückkehren.“

Rujanski lässt sich allerdings von dererlei Mutmaßungen nicht aus der Ruhe bringen. „Das sind sieben Unterzeichner“, sagt er im Telefonat mit der Redaktion – auch er ist momentan im Urlaub. Gewisse akustische Besonderheiten sieht er in der Natur des Quartiers begründet. „Die Innenstadt ist kein ländlicher Bezirk, in dem ich Ruhe tanke“, findet der Chef des Studentenwerks. „Innenstadt heißt immer auch Leben – und öffentliches Leben ist etwas anderes als Leben auf dem Land.“

Vergleich zu anderen Uni-Städten

An seiner Idee studentischen Lebens in Ober- und Altstadt, die im offenen Brief offen angegriffen wird, hält er fest. „Wenn ich von einer Vision spreche, spreche ich nicht vom Hier und Jetzt“, betont er. „Ich glaube, dass sich in Siegen entwickeln wird, was wir aus Uni-Städten wie Heidelberg kennen.“ Nämlich: Ein Viertel, in das bevorzugt junge und ältere Menschen ziehen, die ein studentisches Flair zu schätzen wissen. Vor allen Dingen aber „bedeuten Studierende nicht zwangsläufig Lärm und Radau“.

Auf die Besonderheit der Lage verweist auch Georg Baum. „In einem innerstädtischen Bereich ist natürlich die Grenze zwischen städtischer Geräuschentwicklung und Ruhestörung schwer zu ziehen“, erklärt der Sprecher der Siegener Polizei. Schon aus baulichen Gründen sei die Schallentwicklung in engen Gassen anders als auf freiem Feld. Gleichwohl gehe die Polizei nächtlichen Beschwerden von Anwohnern im Bedarfsfall nach.