Siegen. . Seit Juni 2012 begleitet der Siegener Herbert Bäumer die Bauarbeiten zwischen Sieg, Sandstraße und Stadtmauer als Fotograf. Der 72-Jährige macht es ehrenamtlich, weil es Spaß macht und weil er findet, dass städtebauliche Entwicklungen dokumentiert werden müssen.
Thorsten Bäumer war damals einer der ersten, der 1969 über die Siegplatte kurvte. Als kleiner Jong mit seinem Dreirad, das er zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Herbert Bäumer (72) erinnert sich noch genau daran, wie er mit seinem Sohn die Bauarbeiten vom Schlafzimmerfenster aus beobachtet hat. „Wir hatten den besten Blick“, sagt er und schaut rüber zur alten Dachgeschosswohnung in der Hindenburgstraße. „Leider hatte ich damals noch keine Leidenschaft für die Fotografie.“ Das ärgert ihn noch heute. Heute hätte er wahrscheinlich ein Stativ vor dem Fenster aufgebaut. Seit dem 3. Juni 2012 begleitet er die Arbeiten an Sieg, Sandstraße und Stadtmauer als Fotograf für die Stadt Siegen – ehrenamtlich.
Weil es ihm große Freude macht, das merkt man bei jedem Schritt entlang der Bauzäune und bei jeder Geschichte, die er zu den technischen Arbeiten und den Menschen auf der Baustelle erzählt, aber auch weil er es wichtig findet, stadtprägende Ereignisse zu dokumentieren.
Ist-Zustand
Zunächst hielt Bäumer den Ist-Zustand fest: Siegen mit der 5100 Quadratmeter großen Kragplatte, die Stadtmauer vor der Sanierung und die Sandstraße noch ohne Großbaustelle. „Jetzt fotografiere ich jeden neuen Bauschritt“, erklärt der 72-Jährige. „Meine Idee für ein Motiv ist immer die Frage: Was muss dokumentiert werden, weil es später nie wieder so aussieht?“
Das kann dann aber auch schon einmal eine zerbrochene Hacke sein. „Heute wissen wir noch nicht, was später mal wichtig ist“, sagt er. Aber es könne doch auch sein, dass sich die Menschen später einmal fragen: Mit welchem Gerät haben die Menschen gearbeitet? Was hatten sie an?
„Hier, mach das ja ordentlich. Die Mauer muss halten“, ruft Bäumer einem der Arbeiter zu und lacht. Was nun folgt ist ein lockerer Wortwechsel, eine Mischung aus kumpelhaften Aufziehen und Fachsimpelei. Wie es auf so einer Baustelle eben zugeht. Die Männer sind gerade dabei das Widerlager für die neue Oberstadtbrücke am Kunstweg vorzubereiten. Heute wird gegossen. Fließender Beton, das Motiv des Tages für Herbert Bäumer. Allerdings erst gegen 14 Uhr.
Bauleiter, Polier, Vorarbeiter – sie alle haben seine Handynummer. „Wenn’s was Spannendes gibt, klingeln sie kurz durch“, erzählt Herbert Bäumer. So wie Vorarbeiter Rosé Romero, der neulich ein altes Flaschenlager der Schnapsbrennerei Oechelhäuser ausbuddelte. Auch davon machte Bäumer natürlich Fotos.
Autodidakt
Die orangefarbene Weste auf der hinten in großen Lettern „Fotograf“ steht, bräuchte Bäumer eigentlich nicht. Auf der Baustelle kennt ihn eh jeder, auch weil er sie vermutlich alle schon vor der Linse hatte.
Manchmal muss der 72-Jährige allerdings auch unbekanntes Terrain betreten und seinen ganzen Charme einsetzen. Zum Beispiel als er die Stadtmauer als Ganzes fotografieren wollte. Von der Straße aus ging das nicht, so klingelte er kurzerhand in einem Haus in der Kölner Straße. „Alles kein Problem. Wer sich höflich vorstellt und erklärt, was er vorhat, darf auch in die Wohnung“, sagt er. „Ich lerne hier sehr viele Menschen kennen, das macht schon Spaß.“
Das Fotografieren brachte sich Herbert Bäumer zum großen Teil selbst bei, aber auch in vielen Fotokursen. Begleitet hat er schon den Umbau des Apollo-Theaters, der Siegerlandhalle oder des Kreishauses.
Jeden Tag ist er mindestens zwei Stunden mit seiner Nikon zwischen Sieg und Stadtmauer unterwegs. Weit mehr als 1000 Fotos sind so schon zusammengekommen. Zu Hause bearbeitet er die Bilder und schickt die neusten Motive an die Stadt Siegen. Dort werden die Fotos dann ins Netz gestellt, um der Welt den Fortschritt zu zeigen. Beim Archivieren geht Bäumer sicher: Die Dateien speichert der Fotograf auf dem eigenen Rechner, einer externen Festplatte und goldbeschichteten DVDs – mit 100 Jahren Garantie.