Siegen. „Gute Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa.“ Mit diesem Slogan wurden Gewerkschafter am 1. Mai auch in Siegen auf „ihren Tag“ eingestimmt, der diesmal vor allem einen Schwerpunkt auf den dritten Aspekt des Leitsatzes legte.
„Europa darf nicht in Nationalismus zerfallen. Denn wir alle brauchen Europa“, rief Dr. Sabine Graf, stellvertretende Vorsitzende des DGB in NRW, im Ringlokschuppen, der einmal mehr Zielpunkt des Demonstrationszuges war.
Der hatte gegen 9.30 Uhr vor der Arbeitsagentur begonnen. Rund 450 Teilnehmer fanden sich eine gute Stunde später im Lokschuppen ein, um die Rede Grafs zu hören. Sie erinnerte an die Zerschlagung der freien Gewerkschaften vor 80 Jahren durch die Nationalsozialisten und forderte in diesem Zusammenhang Wachsamkeit gegen Rechts in der Gegenwart und ein NPD-Verbot.
Danach gab es den allgemeinen Forderungskatalog, vom Mindestlohn bis zur stärkeren Regulierung der Finanzmärkte und einer klaren Absage an die Rente mit 67. Mit wenigen Euro mehr im Monat für den Durchschnittsverdiener lasse sich ein ordentliches Polster für das Rentenniveau aufbauen und die Rente mit 67 sogar aussetzen.
Für Europa hätten die Gewerkschaften einen Marshallplan entwickelt, der in den kommenden zehn Jahren 260 Millionen Euro für alle EU-Staaten vorsehe, „um damit unsere Zukunft“ aufzubauen. Das Geld solle den Spekulanten abgenommen werden.
„Wir Gewerkschaften fordern eine Politik für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, forderte die Funktionärin mit Blick auf die Bundestagswahl, versprach dabei, „überparteilich, aber nicht neutral“ zu sein. Und: „Dabei wissen wir die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns.“
Graf bedauerte es, nicht mehr das richtige Alter für die Gewerkschaftsjugend zu haben, die im Lokschuppen eine Mauer aus „Steinen“ mit Dingen gebaut hatte, die es zu bekämpfen und zu überwinden gelte: Waffenexporte, Mobbing, Schlechte Ausbildung, Unbezahlte Überstunden. Die Mauer wurde symbolisch eingerissen und Blumensamen für eine bessere Zukunft verteilt.
Dafür sprach sich auch der DGB-Regionsgeschäftsführer Werner Leis aus, der - wie schon Graf - die bereits erstrittenen Tarifabschlüsse lobte, „das haben wir uns verdient“, zugleich aber das Dauerproblem Leiharbeit und Werkverträge beklagte und „equal pay“ forderte. Die Agentur für Arbeit dürfe auch nicht zur „Spardose der Nation“ verkommen, während zum Beispiel mehr als 1000 junge Menschen zwischen 24 und 35 im Kreisgebiet arbeitslos seien und keine Berufsausbildung hätten. An Bildung und Weiterbildung dürfe keinesfalls gespart werden: „Wir brauchen ein Programm Zweite Chance“ für diejenigen, die bisher keinen qualifizierten Berufsabschluss erreichen konnten“.
Radikaler und weitgestreuter waren erwartungsgemäß die Forderungen des „Roten 1. Mai“, der Mittags an der Siegerlandhalle begann und mit einer Kundgebung am Kornmarkt endete.
Organisator Martin Gräbener (Die Linke) hatte dazu unter anderem seine Kollegin Sevim Dagdelen aus der Bundestagsfraktion eingeladen. „Kapital - Krisen - Kriege - Wir leisten Widerstand“, war diese Aktion überschrieben, bei der auch Fahnen gegen Atomkraft wehten und Frieden in Kurdistan gefordert wurde.