Siegen. . Der Prozess hätte längst beendet sein können, ein Vergleichsangebot lag vor. Doch Sören A. muss weiter gegen seine Eltern prozessieren, um den Stand seines Vermögens zu klären. Der LWL hatte eine gütliche Einigung blockiert.
Die Ursache für den Prozess, den Sören A. als Kläger gegen seine Eltern führt, ist der Tag seiner Geburt. Damals, vor 24 Jahren, unterlief dem entbindenden Arzt ein Kunstfehler, anstelle eines gesunden Säuglings bekamen die Eltern ein geistig und körperlich behindertes Kind. Ein Kind, das die Eheleute A. annahmen, es pflegten, förderten und umsorgten. Ein Kind, das sie nun vor Gericht bringt, ohne davon auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben – aufgrund seines Gesundheitszustandes. Es geht um den Verbleib des Vermögens von Sören A. – insgesamt 600.000 Euro.
Die Verantwortung für diese ungewöhnliche Konstellation trägt ein Akteur, der nicht unmittelbar an dem Prozess beteiligt ist und dennoch die wahrscheinlich wichtigste Rolle in dem Verfahren spielt: der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Dies wurde deutlich, als Richter Dirk Kienitz am vergangenen Freitag in Raum 26 des Siegener Landgerichts die Vorgeschichte des Prozesses „Sören A. gegen Eheleute A.“ erläuterte.
Ausgangspunkt war die Klage der Eheleute A. gegen die Geburtsklinik. Nach jahrelanger Auseinandersetzung erhielt Sören im Jahr 2005 einen Betrag über 600.000 Euro von der Versicherung der Klinik. Die Eltern übernahmen die Verwaltung. Einen Teil dieses Geldes investierten sie in den behindertengerechten Ausbau ihres Hauses. Nachdem Sören A. volljährig geworden war, trat das Vormundschaftsgericht auf den Plan und stellte fest: Die Eheleute A. hätten dieses Geld nicht ausgeben dürfen.
Der Vergleich
Sie hätten es lediglich als Treuhänder verwalten dürfen, ob die Ausgabe in Ordnung gewesen wäre, hätte damals das Familiengericht entscheiden müssen. Formaljuristisch war die Ausgabe nicht rechtens. Deshalb bestellte das Vormundschaftsgericht eine Betreuerin, die für Sören A. prüfen sollte, wie die Eltern dessen Vermögen verwendet hatten. Rechtsanwältin Tanja Wagener nahm sich des Falles an, um Sörens Interessen zu vertreten. Nach zähem Ringen und jahrelangen Streitigkeiten mit den Eltern erzielten beide Seiten im April vergangenen Jahres einen Durchbruch.
Ein Vergleichsangebot kam auf den Tisch, das beide Seiten für akzeptabel hielten. Das von den Eltern behindertengerecht ausgebaute Haus sollte auf Sören A. übertragen werden, damit hätte der Fall endgültig geschlossen werden können. Die für die Eltern zermürbende Angelegenheit wäre beendet gewesen.
Die Rolle des LWL
Dann schaltete sich der LWL ein. Denn: Bereits seit März 2005 lebt Sören A. nicht mehr bei seinen Eltern, er ist in einer Einrichtung für behinderte Menschen untergebracht, besucht seine Eltern jedoch regelmäßig an den Wochenenden. Die Kosten für Sörens Unterbringung zahlt der LWL – aus Steuermitteln, es sei denn, der Betreute hat eigenes Vermögens. Dies hätte sich im Fall von Sören A. auf den Verkehrswert des übertragenen Hauses belaufen, da die Eheleute A. für die Betreuung von Sören von 1989 bis 2005 Betreuungskosten geltend machten für Therapien und Fördermaßnahmen zu Gunsten von Sören.
Dennoch intervenierte der LWL und ließ Wageners Nachfolgerin in der gesetzlichen Betreuung Sörens wissen, dass er das Vergleichsangebot nicht akzeptieren würde. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte ein LWL-Sprecher : „Wir hatten beim Vergleich zu erkennen gegeben, dass wir diesen nicht annehmen würden, weil dieser zu stark zu Ungunsten des Betroffenen gegangen wäre.“
Ein gutes Ende?
Deshalb geht das Verfahren in eine neue Runde. Abermals soll das Gericht prüfen, wie die Eheleute A. Sörens Vermögen verwendet haben. Dazu fand Richter Kienitz deutliche Worte, als er den Prozess neu eröffnete. Über die „moralische Rechtfertigung des Verfahrens“ lasse sich durchaus streiten, stellte Kienitz in den Raum. Und: „Der LWL blockiert eine vernünftige Lösung.“
Nun ist es also wieder an Sörens Eltern eine dezidierte Aufstellung ihrer Ausgaben vorzulegen, die sie über die Jahre hinweg getätigt haben. Wieder sehen sie sich einem möglicherweise langen, komplizierten und nervenaufreibenden Prozess ausgesetzt. Zwei Monate haben die Eheleute A. Zeit, die Aufstellungen vorzulegen. Ob und für wen der Prozess ein gutes Ende nehmen wird, steht in den Sternen.