Siegen. In zwei katholischen Krankenhäusern in Köln wurde kürzlich einem Vergewaltigungsopfer eine medizinische Untersuchung und eine Spurensicherung zur Beweissicherung mit dem Hinweis verweigert, damit sei ein Beratungsgespräch über eine mögliche Schwangerschaft und deren Abbruch sowie das Verschreiben der Pille danach verbunden. Christian Stoffers ist Sprecher der katholischen St. Marien-Krankenhauses Siegen.

Christian Stoffers ist Sprecher der katholischen St. Marien-Krankenhauses Siegen.

Wie ist die Haltung des Marienkrankenhauses zum Thema „Pille danach“?

Im St. Marien-Krankenhaus Siegen werden alle medizinischen Maßnahmen sofort angeboten und durchgeführt – dies beinhaltet auch die Durchführung der anonymen Spurensicherung (ASS) nach Sexualstraftaten gemäß den Leitlinien der gynäkologischen Fachgesellschaft. Eine ergänzende Abgabe der „Pille danach“ ist im St. Marien-Krankenhaus nicht möglich, da dieses Präparat durch unsere Apotheke nicht vorgehalten wird. Selbstverständlich erfolgt auf Wunsch die Weitervermittlung an einen niedergelassenen Gynäkologen bzw. an die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung, die sich direkt bei uns am Hause befindet.

Ist die Haltung zur Verhütungspille entsprechend?

Als Krankenhaus verschreiben wir keine Verhütungspillen. Diese Zuständigkeit liegt im Bereich der niedergelassenen Gynäkologen.

Wie wäre das medizinische Vorgehen bei einem Vergewaltigungsopfer? Würde auch in einem solchen Fall die Pille danach nicht verschrieben?

Wir behandeln alle Patientinnen, die Opfer von Gewaltverbrechen geworden sind, unmittelbar mit allen notwendigen medizinischen Maßnahmen. Bei der Behandlung und der anschließenden auf Wunsch der Patientin durchgeführten anonymen Spurensicherung (ASS) orientieren wir uns strikt an den Leitlinien der gynäkologischen Fachgesellschaft für Vergewaltigungsopfer. Die „Pille danach“, die nicht zur Notfallbehandlung gehört, wird im St. Marien-Krankenhaus Siegen nicht bevorratet. Die Patientinnen werden in einem solchen Fall medizinisch über die Möglichkeit, die „Pille danach“ zu nehmen, aufgeklärt. Bei uns erhältlich ist sie aber wie gesagt nicht.

Eine Vergewaltigung ist auch mit psychischen Folgen verbunden. Besteht aus Ihrer Sicht keine Gefahr, dass das Trauma eines Opfers nachhaltig verstärkt wird, wenn die Pille danach nicht ausgehändigt wird?

Selbstverständlich sehen wir die Gefahr, dass eine Traumatisierung des Opfers entstehen kann. Daher ist es Aufgabe des St. Marien-Krankenhauses Siegen auch Frauen, die einem Sexualdelikt zum Opfer gefallen sind, jede mögliche Unterstützung, nicht nur medizinisch und pflegerisch, sondern auch seelsorgerisch oder psychologisch zu geben. Hier haben wir u.a. ein dichtes Netzwerk an Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten mit unseren Kooperationspartnern (z.B. Caritasverband) aufgebaut.

Welche medizinischen Aspekte sind durch die Ethik-Richtlinie des Marienkrankenhauses insgesamt berührt, z.B. bei der Pränantaldiagnostik?

Unsere ethischen Leitsätze beinhalten viele medizinische Sachverhalte von Lebensanfang, Ablehnung der Präimplantationsdiagnostik und der Abtreibungen, bis Lebensende, Ablehnung der aktiven Sterbehilfe und Gewährleistung eines würdigen Sterbens. Abgeleitet aus den Grundlagen des christlichen Menschenbildes betrachten wir die Selbstbestimmung des Menschen als untrennbar zur Menschenwürde gehörend.