Siegen-Wittgenstein. . In Siegen-Wittgenstein werden aktuell 107 Menschen mit Haftbefehl gesucht. Dem größten Teil droht wegen einer Bagatelle ein Kurzaufenthalt hinter Gittern.

Darunter sind ein paar Jugendliche, die nach einer Reihe von Delikten ein Wochenende im Gefängnis verbringen sollen, einige Straftäter, deren Berufung widerrufen wurde, Häftlinge, die ihren Hafturlaub ohne Genehmigung verlängert haben, und eine Handvoll verurteilter Straftäter, die der Ladung zum Haftantritt nicht nachgekommen sind. Wegen Mordes wird derzeit kreisweit kein Bürger mit Haftbefehl gesucht. Dem größten Teil droht wegen einer Bagatelle ein Kurzaufenthalt hinter Gittern.

Denn bereits ein Fünf-Euro-Knöllchen wegen Falschparkens kann ins Gefängnis führen – allerdings erst, wenn viele Warnschüsse ignoriert wurden. „Der Staat muss ja eine Möglichkeit haben an sein Geld zu kommen“, sagt Kriminalhauptkommissar Klaus-Dieter Müller. Deshalb gehe es notorischen Zahlungsverweigerern von Verwarn- oder Bußgeldern irgendwann an den Kragen. Gegen sie wird ein Erzwingungshaftbefehl ausgestellt. „Meist wird ein Freiheitsentzug von ein bis fünf Tagen angedroht“,
so Müller.

Bis es soweit kommt geht freilich viel Zeit ins Land: Die Bußgeldstelle verschickt eine Zahlungsaufforderung mit 14-tägiger Frist zum Begleichen der Rechnung. Wird kein Zahlungseingang registriert, wird aus dem Kreishaus wenige Tage nach Fristablauf die erste Mahnung losgeschickt.

Das Erzwingungshaftverfahren

In dieser sind bereits erste Mahn- und Verwaltungsgebühren enthalten. In der Rechtsbelehrung wird auf die Möglichkeit der Erzwingungshaft hingewiesen. Wird erneut kein Geld überwiesen, folgt eine zweite Mahnung – erneut mit einer 14-Tage-Zahlungsfrist. Meldet sich auch dann der säumige Zahler nicht, stellt die Bußgeldstelle einen „Antrag auf Einleitung eines Erzwingungshaftverfahrens“ beim Amtsgericht. Von dort aus wird noch einmal eine Zahlungsaufforderung mit Fristsetzung versandt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich das ursprüngliche Bußgeld durch Mahn-, Verwaltungs- und Gerichtskosten vervielfacht. Verstreicht auch dieser Zahlungstermin, wird der Fall an die Staatsanwaltschaft übergeben, die den Erzwingungshaftbefehl ausstellt. „In der Regel dauert das bis zu einem halben Jahr nach Zustellung des ersten Bußgeldbescheids“, so Kreissprecherin Stefanie Wagner.

Häufig werden Bürger, die Buß- oder Verwarngelder nicht zahlen zufällig aufgegriffen. So wie der 30-jährige Autofahrer Anfang der Woche, der in der Hindenburgstraße von einer Polizeistreife angehalten worden war, weil er mit dem Handy telefoniert hatte. Gegen den Mann lag ein Haftbefehl vor. Die Polizisten nahmen ihn vorläufig fest. Um der Erzwingungshaft zu entgehen zahlte er die Geldbuße kurzerhand und wurde wieder auf freien Fuß gesetzt.

Für den 30-Jährigen war das die günstigere Lösung. Mit Ablauf der Erzwingungshaft, die wegen mehrerer ausstehender Geldbußen maximal drei Monate betragen darf, wäre die Strafe nicht abgegolten gewesen. Denn der Vollzug der Haft befreit nicht von der Zahlungspflicht. Die Strafe hat vielmehr den Charakter einer Beugehaft.