Siegen. Weil ein 23-Jähriger sich über seine Freundin ärgerte, zog er bei voller Fahrt auf der A45 die Handbremse. Das Amtsgericht verurteilte ihn jetzt zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung.
Fast ein Jahr ist es her, dass sich ein Ford Fiesta auf der A 45 zwischen den Abfahrten Wilnsdorf und Haiger-Burbach überschlug und auf dem Dach im Seitengraben liegen blieb.
Die Ursache: Einer der Beifahrer hatte während der Fahrt die Handbremse gezogen. Gestern wurde der junge Mann aus Dillenburg vom Siegener Schöffengericht wegen gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Zwei Männer und zwei Frauen waren am Vorabend aus Dillenburg Richtung Siegen gefahren und schließlich in einer Disco im sauerländischen Wenden gelandet. Als sie am frühen Morgen des 26. Februar 2012 nach Hause fuhren, machten sie Halt am Wilnsdorfer Autohof. Während der spätere Angeklagte mit dem anderen Mann einen Burger aß und die vierte Insassin die Toilette aufsuchte, las die Fahrerin des Ford (19) einige für sie verdächtige SMS auf dem Mobiltelefon ihres damaligen Verlobten.
Zwei Mal zur Handbremse gegriffen
Danach kippte die Stimmung. Sie habe damals geglaubt, dass der Angeklagte ein Verhältnis habe, sei schwer gekränkt gewesen und habe geweint, erzählte die junge Frau gestern im Zeugenstand. Es habe einen Streit gegeben. Sein Mandant sei aufgeregt gewesen, habe seiner Verlobten klar machen wollen, dass es keinen Grund zur Eifersucht gebe, erklärte Verteidiger Jochen Hentschel für den 23-jährigen Mann auf der Anklagebank. Er habe sie mehrfach gebeten, für ein klärendes Gespräch anzuhalten: „Ein junger Mensch will so etwas schnell aus sich heraus haben.“
Zwei Mal griff der Angeklagte danach zur Handbremse. Das erste Mal nur kurz, was die Fahrerin erboste. „Bist Du bescheuert“, herrschte sie ihren Nachbarn an. Ihre Freundin auf der hinteren Sitzbank beschrieb, dass der Wagen deutlich geruckt habe. Im Anschluss sei vom Angeklagten der Satz gekommen, „dann gehen wir eben alle drauf“, und „einen Atemzug später“ habe er mit großer Kraftanstrengung wieder an der Bremse gerissen. Das Fahrzeug brach aus und überschlug sich schließlich.
Die Verlobte, die auch als Nebenklägerin auftrat, erlitt Prellungen, die zweite junge Frau ein Schädel-Hirn-Trauma. „Außerdem konnte ich zwei Wochen meinen Kiefer kaum bewegen“, noch heute knacke es. Beide äußerten Angstzustände beim Fahren, die bis heute anhielten. Der vierte Insasse sowie der Angeklagte kamen weitgehend unverletzt davon. „Es tut mir leid“, ließ sich dieser schließlich im letzten Wort vernehmen.
Schuld auf Reifen geschoben
„Ich hab nichts gemacht“, habe er nach dem Unfall immer wieder gesagt, betonten die beiden Zeuginnen immer noch hörbar verärgert. Vielmehr habe er die Schuld auf einen verlorenen Reifen geschoben. Nach dem Unfall lag ein abgerissenes Rad neben dem Fahrzeug. Das spätere Unfall-Gutachten erwähnte, dass die Winterreifen Jahrgang 2000 waren, dies aber letztlich nicht ursächlich war und auch das Rad erst später abgerissen sei. Anwalt Hentschel versuchte trotzdem immer wieder, auf die technischen Aspekte abzuheben und wies auch auf die Unerfahrenheit der Fahrerin in der Gefahrenlage hin.
Auf der anderen Seite des Saals erinnerte der Nebenklagevertreter Anwalt Tronje Döhmer daran, dass es nur einem Wunder zu verdanken sei, dass nicht mehr passierte und der Angeklagte nicht wegen Tötungsvorsatz vor dem Landgericht sitze. Allerdings sei auch seine Mandantin davon überzeugt, dass der Angeklagte, mittlerweile ihr Ex-Verlobter, trotz seines damaligen Ausspruches nicht beabsichtigt habe, „sie alle umzubringen“.
3000 Euro Schmerzensgeld
Der Jurist bemängelte zudem, dass der Angeklagte wenig Engagement gezeigt hätten, die Schmerzensgeldansprüche der jungen Frau zu erfüllen. Die wollte 3000 Euro, gezahlt wurden 750 Euro. Zusätzlich soll der Dillenburger weitere 300 Euro Schmerzensgeld an die Nebenklägerin und 500 Euro an die 19-Jährige Mitfahrerin zahlen. Das Gericht folgte mit seinem Urteil von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung dem Antrag von Staatsanwältin Knebel.