Netphen. . Am 27. Juli 1942 wurden der Netphener Metzgermeister Gustav Faber, seine Ehefrau Clara und die 15-jährige Tochter Anita nach Theresienstadt deportiert.

Clara Fabers Schwester Bertha Lennhoff, deren Mann Julius und ihr 20-jähriger Sohn Heinz, die aus Plettenberg vertrieben und bei den Verwandten in Netphen Zuflucht gesucht hatten, wurden am 27. Februar 1943 nach Zamosc verschleppt und ermordet. An sie werden die Stolpersteine erinnern, die der Kölner Künstler Gunter Demnig am heutigen Mittwoch vor dem Haus Lahnstraße 4 setzt.

Neben einzelnen Netphenern und den Jugendtreffs übernehmen auch die Schulen Patenschaften für die Stolpersteine vor dem Haus, wo die letzten jüdischen Familien gewohnt haben. „Wir wollen wissen, wie das damals gewesen ist“, sagt Rita, die mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern in einem Sowi-Kurs des Gymnasiums an einem Projekt zum Thema arbeitet. Die einen möchten mit Zeitzeugen sprechen, zum Beispiel mit Anita Fabers Schulfreundin Eleonore Schmallenbach. Andere möchten herausfinden, ob und was die Deutschen eigentlich dazugelernt haben.

Lehrerin Silke Linsert hatte wenig Mühe, die engagierten Abiturienten für einen Beitrag zu gewinnen, den sie am 27. Januar präsentieren wollen. Dann, am Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, ist im Feuerwehrhaus am Petersplatz die Gedenkfeier der Stadt — unweit des Hauses in der Lahnstraße, an deren letzte jüdische Bewohner dann die Stolpersteine erinnern. „Auch wenn das weit weg von uns ist“, sagt Laura, „betrifft uns das.“ „Es ist ein Teil der Geschichte einer Stadt“, fügt Janek hinzu. „Durch das Gedenken“, sagt Linda, „gerät das nicht in Vergessenheit.“

Darum allein geht es der Gruppe aus dem Sowi-Kurs allerdings: Wie sieht Rechtsextremismus heute aus, was sind seine Ursachen, was kann wer dagegen tun? In einer Studie hat Michael nachgelesen, wie verbreitet rechtsradikale Einstellungen im Osten Deutschlands sind. „Das fand ich ziemlich krass.“ Dabei will Laura nicht ausschließen, dass es auch in der näheren Umgebung Menschen gibt, die so denken: „Die laufen ja heute nicht mehr in Springerstiefeln rum.“

Möglicherweise werden die Schülerinnen und Schüler herausfinden, dass in Zeiten der Krise Menschen empfänglich dafür sind, die vermeintlich Schuldigen zu suchen und sie stets bei Minderheiten zu finden — in der NS-Diktatur eben bei den Juden. Dabei werden die jungen Netphener es sich nicht so leicht machen, einfach Parallelen zu ziehen. „Das war eine ganz andere Zeit“, gibt Linda zu bedenken.

Was war das für eine Zeit? „Von der Schulzeit und von den Bombenangriffen können unsere Großeltern schon noch erzählen“, berichtet Mandy. Menschen, die mitbekommen haben, wie ihre jüdischen Klassenkameraden von einem Tag auf den anderen verschwanden, kennt aber niemand aus der Gruppe. „Man denkt gar nicht daran, dass das hier auch passiert ist“, sagt Rita, „wenn man das nur liest, klingt das theoretisch.“

Wenn sie sich mit den neuen Nazis, der neuen Fremdenfeindlichkeit befassen, dann haben die Abiturienten die Geschichte im Blick. „Wir wollen wissen, wie man vorbeugen kann, damit das nicht wieder passiert“, sagt Janek. Theresa hört sich da ganz zuversichtlich an: „Wir haben das ja in der Hand“, sagt sie und meint ihre Generation. Auch das wird eine Botschaft der sechs Netphener Stolpersteine sein.

Erinnerung vor der Haustür

Gunter Demnig ist Schöpfer der Stolpersteine. Sie tragen die Namen der von den Nazis ermordeten Hausbewohner.

Über 35.000 Stolpersteine gibt es bereits in ganz Europa. Längst nicht mehr alle werden von Demnig selbst gesetzt.