Siegen. . Wölfe streiften früher durch alle deutschen Wälder. Der Mensch rottete den Wolf durch intensive Jagd aus. Seit 1850 war Deutschland quasi wolfsfrei – bis im Jahr 1995 wieder der erste Grauwolf in der Lausitz gesichtet wurde und auch blieb.
Der Wolf wanderte einst aus Polen ein. Heute leben in Deutschland 19 Rudel beziehungsweise Paare und vier Einzelwölfe. Auch die Siegerländer Wälder eignen sich als Streifgebiet, das hat Dr. Julia Eggermann, Wildbiologin an der Universität Siegen, herausgefunden. Die Biologin hat ein Modell entwickelt, das aufgrund des Nahrungsangebots und der Straßendichte eine Ansiedlung wahrscheinlich macht oder eben auch nicht.
Wie wahrscheinlich ist es, dass der Wolf bald auch im Siegerland gesichtet wird?
Das ist sehr wahrscheinlich. Schließlich lebte bis vor kurzem gar nicht weit ein Wolf im Westerwald, der aber im Frühjahr dieses Jahres erschossen wurde. Laut meinem Modell wäre das Siegerland ein gutes Streifgebiet für Wölfe. Hier, wie auch im gesamten Südwesten, gäbe es genügend Nahrung und auch die Straßendichte ist nicht so hoch. Das sind beides Faktoren, die eine Ansiedlung begünstigen. Der Wolf benötigt nicht unbedingt – wie häufig angenommen – die abgelegene Wildnis im hohen Norden. Das sind sehr anpassungsfähige Tiere. Laut meinem Modell wäre in Deutschland insgesamt Platz für 85 Rudel, je nach Zuschnitt der Streifgebiete wären das bis zu 800 Wölfe. Das allerwichtigste zum Überleben ist allerdings die Akzeptanz beim Menschen.
Wer sind die größten Bedenkenträger?
Landwirte und Jäger. Die einen sorgen sich um ihr Vieh, die anderen um ihre Wildstrecken. Hier zeigt das sächsische Wolfsmanagement, dort leben derzeit 13 Wolfsfamilien, wie man mit beiden Parteien zusammenarbeiten kann.
Wie genau funktioniert das?
In Sachsen ist die Entschädigungszahlungen ganz klar geregelt. Den Viehbesitzern dürfen durch den Wolf keine Einbußen entstehen. Außerdem werden die Landwirte dabei unterstützt, ihre Herden zu schützen mit Elektrozäunen oder Herdenschutzhunde. Die Hunde werden als Welpen in die Herde gegeben und wachsen mit dem Vieh auf. Sie behüten die Herde dann und treffen eigene Entscheidungen. Gegen Wölfe setzen sie sich zur Wehr. Da der Wolf es prinzipiell eher bequem mag, wird er die Herde meiden. Diese Methode ist sehr erfolgreich in der Lausitz. Aber auch die Jäger müssen für eine erfolgreiche Ansiedlung der Wölfe auf jeden Fall mit ins Boot geholt werden. Ohne sie geht es nicht. Untersuchungen in der Lausitz seit den 90er Jahren haben gezeigt, dass sich die Wildstrecken trotz Wölfe nicht verkleinert haben. Wölfe legen bei der Jagd auch einen anderen Fokus auf ihre Beute. Sie reißen meist schwache und jüngere oder alte Tiere. Jedoch könnte das Wild im Wald scheuer werden.
Kann der Wolf mit Menschen zusammenleben?
Auf jeden Fall. Wölfe wittern den Menschen sehr früh und schlagen gleich einen anderen Weg ein. Deshalb wären zum Beispiel Begegnungen im Wald äußerst selten. Ich selbst bin dafür der beste Beweis: Ich habe erst drei Mal Wölfe gesehen, obwohl ich viele Jahre als Forscherin nur draußen in Wolfsgebieten unterwegs war.
Was war Ihr schönstes Erlebnis mit den Wölfen?
Wir sind als ich in Polen gearbeitet habe, im Spätsommer rausgefahren, um ldas Wolfsgeheul zu imitieren. Wir wollten schauen, wie die Jungwölfe darauf reagieren. Als die Wölfe dann antworteten, da ist mir wirklich ein Schauer über den Rücken gelaufen.