Grund. .
„Um achte ging der Unterricht los“, schreibt ein junger Besucher ins Gästebuch des Jugendwaldheims. Und petzt: „Österreich“, habe da doch jemand auf die Frage nach Siegens Nachbarkreis geöffnet. Am Ende dürfte dieser Besucher des Gillers genauso viel schlauer geworden sein wie alle anderen auch: „Wir wissen, dass der Mann der Bache sich Keiler nennt und Hauer trägt, dass er schon mal in seiner Rache wutschnaubend durch das Farnkraut fegt.“ Oder, weniger gereimt: „Wir bekamen die Augen geöffnet für den Reichtum des Waldes, der uns bisher verborgen war. Denn wir sahen diese Welt mit den Augen eines Ruhrgebietlers...“
34 000 Kinder und Jugendliche haben bisher diese und andere Erkenntnisse gewonnen — so viele waren es, die seit der Eröffnung des Gillerbergheims an den Lehrgängen des Forstamts teilgenommen haben.
Noch einmal um die 20 000 Besucherinnen und Besucher waren in dem Haus beim Siegerland-Turngau zu Gast, der dort oben seit 105 Jahren das Gillerbergfest ausrichtet, und beim Kulturbüro, das das Haus seit dem ersten Musik- und Theaterfestival KulturPur einmal im Jahr in ein Künstlerhotel verwandelt. Am Freitag, 24. August, wird mit einem Festakt Jubiläum gefeiert: Das Gillerbergheim wird 50 Jahre alt.
Der Anfang
Eigentlich hatte der Siegerland-Turngau auf dem Gelände der Haubergsgenossenschaft Hof Ginsberg nur Umkleideräume und Toiletten für sein jährliches Sportfest bauen wollen; 1956 wurde erstmals darüber beraten. Doch die Forstverwaltung hatte eine andere Idee: Das Forstamt Hilchenbach sollte das zweite Jugendwaldheim in Nordrhein-Westfalen bekommen. Ein junger Förster sollte das Heim mit Platz für 40 junge Gäste und ihre Begleitung leiten und den Unterricht für die Besucher, Schulkinder aus den Ballungsräumen, erteilen. So entstand das Gillerbergheim als gemeinsame Einrichtung von Kreis, Turngau und Forstamt. Am 28. August 1960 wird der Grundstein für das Haus am Rande der Ginsberger Heide gelegt, um das herum gerade ein neuer Fichtenwald gepflanzt wird. Am 29. Juli 1962 wird Eröffnung gefeiert.
Zum Jubiläum gibt der Kreis Siegen-Wittgenstein eine Fotobroschüre heraus. Sie zeigt Kinder, die mit Zeichenpapier und Wachsmalkreide Baumrinden abpauschen — und so lernen, Baumarten zu unterscheiden. Sie zeigt Kinder mit der Säge an einem Ast, der später Teil eines Hochsitzes wird — praktische Waldarbeit gehört immer zum Lehrgangsprogramm. Natur spüren und fühlen, balancieren und klettern, Barfußpfad und Schneeballschlacht — und das, lange bevor die „Erlebnispädagogik“ erfunden wurde. Abends Romantik am Lagerfeuer — Handy oder Computer vermisst dort niemand.
Die Gegenwart
Hubertus Melcher ist heute Chef im Gillerbergheim: Er zeigt seinen jungen Gästen, wie der Borkenkäfer Schaden im Wald anrichtet, wie Bäume davor geschützt werden können, dass sie vom Wild „verbissen“ werden, und wie Fichten aus Wiesentälern entfernt werden — und vor allem, warum. Die abwechslungsreichen Tage beginnen im Unterrichtsraum mit Theorie. Schließlich ist auch hier Schulzeit. „Ansitz“ heißt das Klassenzimmer seit jeher. Auch die anderen Räume im Jugendwaldheim tragen sprechende Namen: Gegessen wird in der „Futterkrippe“, die Toiletten verbergen sich hinter der Tür mit der Aufschrift „Suhle“.
Seit einigen Jahren muss Hubertus Melcher mit den Kindern auch über Kyrill sprechen.
Die Schneise der Verwüstung, die der Sturm im Januar 2007 geschlagen hat, ist schließlich unübersehbar: „Auch bei den Kindern hinterlässt der Sturm Spuren. Sie wünschen dem Wald, dass er nie wiederkommt.“ „Dank dir, Melcher“, hat ein Junge namens Jonathan ins Gästebuch geschrieben. Und ein anderer: „Ich wünsche dem Waldheim, dass kein Sturm mehr kommt.“
Und natürlich auch kein Feuer: Am 30. Juni 1990 entdeckten im Morgengrauen zwei Mädchen der Wittgensteiner „Zugvögel“, dass der Dachstuhl in Flammen stand – ein Blitzschlag hatte am Vorabend einen Kabelbrand ausgelöst, der sich unbemerkt zum Schwel- und über Nacht zum Großbrand entwickelte. Fast ein Jahr dauerte es, bis wieder eine Schulklasse auf dem Giller einziehen konnte. Da ist die Welt längst wieder in Ordnung. Die Gästebucheinträge sind etwas ungelenker formuliert als in den 1960er Jahren. Jemand dankt „für Erlebnisse, die ich noch nie hatte“. „Wir haben im Wald jetzt keine Angst mehr“, schreibt ein anderer. Manchmal allerdings macht auch die Begeisterung etwas Angst: „Das Jugendwaldheim ist besser als zu Hause.“