Netphen-Herzhausen. . Das „Jahrhundert-Hochwasser“, nach dem die Ingenieure den nötigen Hochwasserschutz berechnen, kommt in Herzhausen etwa im Zwei-Jahrestakt.
Das „Jahrhundert-Hochwasser“, nach dem die Ingenieure den nötigen Hochwasserschutz berechnen, kommt in Herzhausen etwa im Zwei-Jahrestakt: Am 21. Januar 2005, am 22. August 2007, am 9. Januar 2011 und am 23. Mai 2012 ist der Dreisbach über die Ufer getreten. Und hat dabei keineswegs nur die Wiesen am Dorfrand überschwemmt.
Wenn Ortsbürgermeister Gilbert Holländer und CDU-Stadtverordneter Alfred Oehm Gäste – wie jetzt die CDU-Ratsfraktion – am Dreisbach entlang führen, können sie zu fast jedem Grundstück eine Geschichte erzählen: Hier liefen Keller voll, dort wurde die Brücke überflutet. Da ist die Uferböschung weggebrochen. „Da hätte man ein ganzes Auto drin versenken können“, beschreibt Oehm die Dimension des Abbruchs. „Selbst der Stromkasten wurde geflutet.“ Allein am 23. Mai sind sieben Häuser unter Wasser gesetzt worden, zu dreien wurde die Feuerwehr erst gar nicht gerufen. „Die Bewohner sind das gewöhnt.“ An 30 Stellen wurde die Böschung weggespült.
Friedlich plätschert der Dreisbach an diesem Sommerabend durch Herzhausen. Zu friedlich: Wasserpflanzen haben es bis an die Oberfläche geschafft. Damit die Feuerwehr an ihre – mit einem Schild ausgewiesene – „Löschwasserentnahmestelle“ gelangt, mussten mehrfach die Betonringe im Bachbett erhöht werden. „Früher lag der Bach einen halben Meter tiefer“, berichtet Oehm. Früher – das war in den 1990er Jahren, als die Stadt das Bachbett noch jährlich ausbaggern ließ. Und als vor dem Ortseingang ein Schütz geschlossen werden konnte, um die Wiesen zu überfluten.
Die Wehre sind weg – eine Folge der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die auch in Netphen durchgesetzt wird: Gewässer sollen für Lebewesen durchgängig sein. „Die Gesundheit der Menschen geht vor“, findet Jochen Niemand, der auf die Errungenschaften des Siegerländer Wiesenbaus verweist. „Die Schütze haben uns jahrhundertelang vor Hochwasser bewahrt und die Wiesen bewässert.“
Und nun? Die Gutachter sind immer noch an der Arbeit. Wahrscheinlich werden sie Umgestaltungen an den Ufern vorschlagen, damit der Bach sich besser ausdehnen kann, ohne die Straße zu fluten. „Darüber muss dann mit allen Anliegern gesprochen werden“, sagt Alfred Oehm. Ortsbürgermeister Holländer weiß allerdings auch schon von dem Ansinnen, das an eine Grundstückseigentümerin gerichtet wurde: Sie solle ihre private – die mittlere von drei – Dreisbach-Brücke abreißen. Als Sofortmaßnahme lässt die Stadt den Bach noch einmal ausbaggern. Und Gilbert Holländer hat aus seinem Budget Steine gekauft. Nur wenige Brocken sind von der Lastwagenfuhre auf dem Dorfplatz übrig geblieben – alles andere haben die Dreisbach-Anlieger ganz schnell in ihre Böschungen eingebaut.
Dass sie ein gebrochenes Verhältnis zum Wasser haben, lassen sich die Herzhausener allerdings nicht nachsagen: Das Schlammloch, das an der Ecke zum Dirlenbacher Weg nach dem Ausbau der Ortsdurchfahrt übrig geblieben ist, verwandelt sich gerade in eine Parkanlage. Die „Insel“ nennen sie den Platz am Preußbach-Zulauf nun, an dem einst ein Fachwerkhaus stand. Stadt und Landesbetrieb Straßenbau haben das Gelände hergerichtet. „Ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit der Behörden“, findet Alfred Oehm. Pflegen wird die Anlage nun der Bürgerverein, der auch noch für Sitzgelegenheiten sorgen wird.