Netphen/Siegen. . Das Amtsgericht Siegen hat den Siegerländer Pfarrer Gerhard S. zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er in neun Fällen seit 2006 pornografische Darstellungen, die sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, im Internet weiterverbreitet hat.

Das Irmgarteichener Pfarrhaus steht leer. Pfarrer Gerhard S. hat sich für mehrere Monate in stationäre Therapie begeben, nachdem Polizisten am 29. März 2011 Computer und Festplatten des Geistlichen beschlagnahmt hatten. Wegen der 826 Bild- und 144 Video-Dateien, die darauf gespeichert waren. Und weil er in neun Fällen seit 2006 die pornografischen Darstellungen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, im Internet weiterverbreitet hat.

„Es ist so gewesen“, sagt Gerhard S. zu Beginn der Verhandlung vor dem Amtsgericht — und enttäuscht damit all die aus den Reihen der St. Cäcilia-Gemeinde, die so gern an dem seit anderthalb Jahrzehnten gepflegten Bild des jovialen Seelenhirten festgehalten hätten. Seine Verteidigerin Dr. Uta Heidenreich skizziert die Laufbahn des heute 55-Jährigen, der in Olpe groß wurde, nach dem Hauptschulabschluss Dreher wurde, Abitur und Studium auf dem zweiten Bildungsweg nachholte — und dann Leiter des Pastoralverbundes Oberes Johannland/Siegtal überfordert war. „Der Druck wurde immer stärker“, sagt S.

Einsame Doppelkopf-Partien mit anonymen Partnern im Internet halfen da nicht. „Irgendwann sind mir die Fotos angeboten worden“, berichtet der Pfarrer, der im Dorf gut verwurzelt schien und bei Schützenbrüdern wie Angelfreunden engagiert war. „Anfangs habe ich sie gelöscht, dann habe ich angefangen, sie zu sammeln“, erzählt S. „Das ging so weiter, bis die Polizei vor der Tür stand“, fügt die Verteidigerin an. Diesen Schnitt habe ihr Mandant am Ende als „Erleichterung empfunden“.

Nicht Pädophilie, sondern eine schwere Depression als Auslöser 

Nicht Pädophilie, sondern eine schwere Depression sei Auslöser für sein Handeln und Anlass für die bis vor wenigen Monaten ambulant fortgesetzte Behandlung gewesen, betont der Angeklagte. Durch den virtuellen Kontakt mit Jugendlichen habe er sich in die 1970er Jahre zurückversetzt, „eine Zeit, in der es mir gut ging“. Dass er mit den Kinderpornos, die er in seiner Rolle als „Andy“ oder „Jonasboy“ mit vorgeblich Gleichaltrigen tauschte, schwerwiegende Rechtsverstöße beging, habe er „so nicht erkannt“.

„Das nehme ich ihm nicht ab, dass er sich nicht bewusst war, was er tat“, sagt Amtsanwalt Schneider, der den Blick auf die nach dem Missbrauch traumatisierten Kinder richtet: „Hier wird eine ganze Industrie bedient.“ Richterin Inga Rosenke bleibt mit der Bewährungsstrafe von zwölf Monaten zwar zwei Monate unter dem Antrag des Anklägers. Dafür verhängt sie aber nicht 2000, sondern 4000 Euro Geldbuße, die an die ärztliche Beratungsstelle gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern und Jugendlichen an der DRK-Kinderklinik zu überweisen sind.

Einen neuen Pfarrer wird es nicht geben

Nach dem Urteil wird es kurz laut im Gerichtssaal: Eine Frau versucht, den Pfarrer zur Rede zu stellen. Andere Zuschauer nehmen ihm den unausgesprochenen Vorwurf nicht ab, die Gemeinde habe ihn zu wenig unterstützt: „So war das nicht.“ Das Pfarrhaus bleibt leer. Einen neuen Pfarrer wird Irmgarteichen nicht bekommen — die beiden Netphener Pastoralverbünde werden fusioniert. Gerhard S. lebt nun in einer Priestergemeinschaft, in der er sich, wie er sagt, „gut aufgehoben“ fühlt. Als neue Wohnadresse gibt er den Sitz des Erzbischöflichen Generalvikariats in Paderborn an.