Siegen-Wittgenstein. .

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass der Mann, der seit Ende 2007 versucht hat, im Siegerland und dem Umland elf Geldautomaten aufzusprengen, seinen Lebensmittelpunkt in Siegen-Wittgenstein hat. „Es gibt Ansatzpunkte“, sagt Staatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss, „dass der Täter aus dem Altkreis Wittgenstein kommt.“ Seine Vorgehensweise deute darauf hin, dass er beruflich einer handwerklichen Tätigkeit nachgehe oder nachgegangen sei.

In der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY fahndete die Polizei am Mittwoch Abend bundesweit nach dem Mann. Entscheidende Hinweise blieben bislang aus. Dennoch, machen die Ermittler deutlich, sind sie dem Täter dicht auf den Fersen. Gestern präsentierten sie weitere Erkenntnisse.

Täter legte die Lunte mit Bremsenreiniger

Es ist eine stoische Ruhe, mit der der Mann vorgeht. Er schlägt nachts zu, meistens zwischen 2 und 4 Uhr. Er leitet eine explosive Gasmischung in den Tresor des Geldautomaten, legt mit Bremsenreiniger eine flüssiger Lunte, zündet sie an und wartet vor der Tür auf die Detonation. Noch bevor der Rauch sich lichtet, betritt der Täter erneut den Tresorraum, packt sich den Metallbehälter mit den Geldkassetten und verschwindet. Ohne gewisse handwerkliche Vorkenntnisse, sagen Polizei und Staatsanwaltschaft, sei es kaum möglich, mit einer solchen Exaktheit diese Sprengungen durchzuführen.

Nicht allein wegen seiner kräftigen Statur, den breiten Schultern und den muskulösen Armen, vermuten die Ermittler, dass der Mann eine Kraftsportart ausübt. „Wir haben versucht, einen solchen Stahlbehälter mit Geldkassetten ins Auto zu hieven“, erläutert Hauptkommissar Martin Schrage, „Zwei Mann haben wir gebraucht.“ Austrainiert ist der Täter, den die Polizei als mittelgroß beschreibt, und der bei den meisten Sprengversuchen ein graues Kapuzen-Sweatshirt, ein grau-weiß kariertes Hemd, eine Tarnhose, schwarze Adidasschuhe und eine schwarze Sturmhaube trug, nicht. Er hat einen deutlichen Bauchansatz.

Dass der Mann aus dem Kreis Siegen Wittgenstein stammt, wahrscheinlich aus dem Altkreis Wittgenstein, leiten die Ermittler u.a. daher, dass er nach der Sprengung des Geldautomaten in Herborn-Eschenburg (7. Juli 2011), den Metalleinsatz des Automaten am Wanderweg Oberes Ilsetal zwischen Banfe und Feudingen ablegte – 30 Autominuten vom Tatort entfernt. „Diese Fundstelle“, sagt Staatsanwalt Baron von Grotthuss, „lässt auf Ortskenntnis schließen.“

Täter drohen bis zu 15 Jahren Haft

Einschlägig in Erscheinung getreten ist der Täter bis zu der Serie der Geldautomaten-Sprengungen nicht. An vier Tatorten fanden die Ermittler DNA-Spuren des Mannes. Ein Abgleich mit der Datenbank des BKA blieb negativ.

Sollte der Mann der Polizei ins Netz gehen, droht ihm eine harte Strafe. Staatsanwalt Baron von Grotthuss wird dann nicht allein Anklage wegen Diebstahls erheben. Ihm wird auch die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zur Last gelegt. Freiheitsstrafe: bis zu 15 Jahren. „Er hat mehrmals billigend in Kauf genommen, dass Menschen schwer zu Schaden kommen“, so der Staatsanwalt.

Chronologie der Taten

22. November 2007, 3.07 Uhr: Der Täter sprengt den Geldautomaten der Volksbank Siegerland in Mudersbach. Die Geldkassetten werden durch die Detonation nicht freigelegt. Sachschaden: 30 000 Euro. Beute: null Euro.

3. Juli 2008, 3.30 Uhr: Sprengung des Geldautomaten der Commerzbank in Kaan-Marienborn. Die zerborstenen Bauteile verformen sich durch die Wucht der Explosion für den Täter ungünstig. Er kommt nur an eine kleinere Kassette. Schaden 100 000 Euro. Beute: 360 Euro.

21. Juli 2008, 2.45 Uhr: Der Täter sprengt den Geldautomaten der Volksbank Siegerland an der Uni Siegen. Die Rückwand des Automaten wird weg gerissen. Sachschaden 50 000 Euro. Beute: 94 000 Euro.

22. Juli 2008, 1.30 Uhr: Versuchte Sprengung des Geldautomaten der Sparkasse in Burbach-Neunkirchen. Der Täter wird wahrscheinlich gestört. Sachschaden: 4000 Euro. Beute: null Euro.

31. Dezember 2012: Versuchte Sprengung des Geldautomaten der Volksbank Siegerland im Einkaufszentrum Deuz. Der Täter bricht den Sprengversuch ab. Sachschaden: 1500 Euro. Beute: null Euro.

12. April 2010: Erneut versuchte Sprengung des Geldautomaten der Volksbank Siegerland im Einkaufszentrum Deuz. Wieder bricht der Täter den Sprengversuch ab. Sachschaden: 1500 Euro. Beute: null Euro.

21. Juni 2010, 3.26 Uhr: Der Täter fährt rückwärts mit seinem Auto in einen gläsernen Eingangsbereich der Ikea-Filiale in Siegen. Die Glastür wird nicht komplett aufgebrochen, so dass er nicht an den Geldautomaten gelangt, der hinter der Glasfassade steht. Ein Alarm wird ausgelöst, der Mann flüchtet. Schaden: 5000 Euro. Beute null Euro.

7. Juli 2010, 2.55 Uhr: Sprengung des Geldautomaten bei Kaufland in der Fludersbach. Der gläserne Vorbau wird zerstört. Splitter fliegen 20 Meter weit umher. Sachschaden: 100 000 Euro. Beute: 25 200 Euro.

7. Juli 2011, 3.13 Uhr: Explosion des Geldautomaten der Volksbank in Herborn-Eschenburg. Sachschaden: 100 000 Euro. Beute 17 500 Euro. Ein Zeuge sieht den mutmaßlichen Täter wahrscheinlich in einem silbermetallicfarbenen älteren Audi A6 Kombi oder Audi 100 Kombi mit dem Kennzeichen SI-MS 252 flüchten. Das Nummernschild wurde drei Tage zuvor im Parkhaus von einem Auto an der Uni Siegen abmontiert. Am 10. Juli wird der aufgebrochene Einsatz des Geldautomaten an dem Wanderweg Obere Ilsetal zwischen Banfe und Feudingen von einem Wittgensteiner Förster gefunden.

18. November 2011, 3.26 Uhr: Der Täter sprengt den Geldautomaten einer Sparkasse in Schmallenberg-Dorla. Erneut sieht ein Zeuge am Tatort den silbernen Audi Kombi; diesmal mit dem Kennzeichenfragment SI-AJ. Zeugen wollen einen Komplizen gesehen haben. Schaden: 17 650 Euro. Beute: null Euro.

18. Dezember 2011, 4.18 Uhr: Zum dritten Mal will der Täter den Geldautomaten der Volksbank Siegerland in Deuz sprengen. Wieder bricht er den Versuch ab. Es gibt keine Explosion. Sachschaden: 5000 Euro. Beute: null Euro.