Siegen/Netphen. . „Ich bin jetzt fünf Monate in Untersuchungshaft und zerbreche mir jede Nacht den Kopf, was eigentlich passiert ist“, sagt der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am späten Silvesterabend seinen Freund mit einem Brotmesser getötet zu haben. „Mein bester Freund“, wie er selbst sagt. Deshalb versteht er es nicht. Zumindest ist das seine Aussage. „Der Kerl lügt doch“, war am ersten Verhandlungstag vor dem Schwurgericht mehrfach aus dem Publikum zu hören.

Mittags hatte der 55-jährige Mann aus Netphen mit dem späteren Opfer in einer Weidenauer Kneipe geknobelt und „etwa zehn Bier getrunken“. Sie hätten sich regelmäßig getroffen und immer gut verstanden, versichert der Angeklagte. Mit einem „Guten Rutsch“ hätten sie sich am frühen Nachmittag verabschiedet. Am weiteren Abend habe seine Verlobte, in deren Wohnung er sich aufhielt, Sekt getrunken. „Wir haben es uns gemütlich gemacht und ferngesehen,“. Er habe sich mehrere Drinks aus Korn und Limonade gemacht und sei „gut angetrunken“ gewesen, als gegen 22.45 Uhr sein Handy ging. Der Freund stand vor dem Haus. „Ärger mit der Ollen“, habe er als Grund genannt und gebeten, in die Wohnung kommen zu können: „Er brachte eine Flasche Schnaps und O-Saft mit.“

Mediziner fand 107 Hautwunden

Gleich nach dem Eintreffen habe er ein Bierglas voll Korn gegossen und „ex ausgetrunken“. „So kannte ich ihn gar nicht. Ich habe ihn gefragt, ob er Silvester noch erleben will“. Er selbst sei gut gelaunt und „etwas drummelig“ gewesen, erklärt der Angeklagte. Eine knappe Stunde später sei der Freund plötzlich zusammengezuckt, habe so etwas wie einen epileptischen Anfall gehabt. „Ich wollte ihm helfen“, sagt der Netphener. Dann sei der andere plötzlich mit jähzornigem Ausdruck auf ihn losgegangen, habe den „Tisch mit einem Arm abgeräumt und hatte plötzlich ein Messer in der Hand.“

Vom nachfolgenden „Gerangel“ wisse er nicht mehr viel: „Ich hatte Todesangst, Angst um mein Leben und um meine Verlobte“. Auch ein kaputtes Glas sei noch im Spiel gewesen. Schließlich habe der Freund blutüberströmt am Boden gelegen. Er selbst wählte den Notruf und gab an, gerade „jemanden abgestochen“ zu haben. Aber er habe sich doch wehren müssen, besteht er auf einer Notwehrlage. Der andere „lag auf mir drauf. Er wog 100 Kilo und hätte mich platt gemacht.“

In der Anklage steht vorsätzlicher Totschlag. Behauptet der Angeklagte heute, das Brotmesser mit einer Klinge von 20 Zentimetern habe auf dem Wohnzimmertisch gelegen, von der Zubereitung von Snacks, hatte er den Polizisten am Silvesterabend eine etwas andere Version erzählt. Der Freund habe ihn angegriffen, er habe sich wehren müssen und das Messer aus der Küche geholt, den anderen dann „fertig gemacht“.

Das Opfer war am Morgen des Neujahrstages gestorben, trug 107 Hautwunden durch Messer und zerbrochenes Glas davon. Zwei Stiche hatten sich in den Hals gebohrt, zwei waren mit großer Heftigkeit gegen die Stirn geführt worden. Der Angeklagte hatte einen kleinen Schnitt an einem Finger und einen abgebrochenen Zahn aufzuweisen.