Siegen. . Im dichten Rauch fällt die Orientierung schwer, manchmal sieht man die Hand vor Augen nicht. Deshalb haben Siegener Forscher ein Navigationssystem für die Feuerwehr entwickelt. Das ist gar nicht so einfach, denn für Häuser gibt es keine Straßenkarten.

Einen „nachhaltigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ haben der Siegener Wirtschaftsinformatiker Prof. Volker Wulf und das Projekt „Landmarke - Sicheres Navigationssystem für Feuerwehrleute“ geleistet. So sagt jedenfalls die Standort-Initiative „Deutschland - Land der Ideen“, die neue Innovations-Initiativen auszeichnet. Und am Donnerstag eben nun die Arbeit des von der Uni Siegen geleiteten Konsortiums.

Jetzt müssten nur noch die Feuerwehrleute etwas davon haben. Denn produziert wird das in dreijähriger Arbeit zusammen mit Profis aus der Praxis entwickelte System noch nicht. Aber Matthias Betz, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts, ist da im Prinzip ganz optimistisch: „Die Feuerwehr hätte das gern sofort.“ Aber wegen der chronisch Unterfinanzierung der Kommunen, die das anschaffen müssten, zögere die am Projekt beteilige Lübecker Firma noch mit der Markteinführung. „Unser Ziel war es auch nicht, ein fertiges Produkt zu entwickeln“, sagt Betz. „Wir haben nur die wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen.“

Manchmal sehen Feuerwehrleute im Rauch die Hand vor Augen nicht

Für was denn nun genau? Da muss Betz etwas ausholen. Es geht um Feuerwehrleute, die mit Atemschutzgeräten Gebäude betreten müssen, um Brände zu löschen oder Menschen zu retten. Manchmal sehen sie vor Rauch nicht die eigene Hand vor Augen, müssen sich blind tastend auf allen Vieren fortbewegen. Und stehen in größeren, unbekannten Gebäuden, etwa einem Krankenhaus, vor der Gefahr, die Orientierung zu verlieren. „Es kommt darauf an, möglichst schnell den Rückweg zu finden“, sagt Betz.

Die Feuerwehrleute haben natürlich ihre Orientierungsmethoden. Beispielsweise die Rechte-Hand-Regel: Sie tasten sich immer mit der rechten Hand an der Wand entlang. Wenn sie an eine Tür kommen, öffnen sie diese, tasten sich wieder rechts herum entlang und markieren den Raum beim Verlassen als durchsucht. Aber bei einem Durchgangszimmer wird es kompliziert. Und vielleicht gibt es eine Abkürzung, die helfen könnte.

Die Gefahr eines Feuerwehr-Navis: Dauergebrauch macht blöd

„Es gab ein europäisches Vorgängerprojekt, das ein in der Kleidung angebrachtes Navigationssystem wie für Autos entwickeln wollte“, berichtet Betz. Aber dabei habe es drei Probleme gegeben: Für Gebäude existieren keine Karten. In geschlossenen Räumen sind Ortungssysteme zu ungenau. „Außerdem wollte die Pariser Feuerwehr, die beteiligt war, so etwas gar nicht haben“, erklärt Betz: „Sie fürchteten, dadurch wichtige Fähigkeiten zu verlieren.“ Den Effekt kennen Autofahrer: Navi-Dauergebrauch macht blöd. Dann ist man ohne hilflos. Und das wollten Feuerwehrleute, die gewohnt sind, jede Treppenstufe und jede Wegbiegung zu zählen, nicht riskieren.

„Wir haben deshalb einen anderen Weg gewählt“, erzählt Betz: „Wir haben die Keile, die Feuerwehrleute sowieso immer dabei haben, um Türen zu stoppen, mit Elektronik ausgestattet. Mit denen setzen sie jetzt an markanten Punkten Landmarken, die blinken oder piepen und mit verschiedenen Farben verschiedene Bedeutungen anzeigen können.“ Auf einem Lesegerät kann jeder Einsatzbeteiligte erkennen, wo er sich genau befindet und die Landmarken aktivieren.

„Mit Feuerwehrhandschuhen können Sie kein iPhone bedienen"

Beim Institut der Feuerwehr NRW in Münster und in Zusammenarbeit mit der Kölner Berufsfeuerwehr wurde die Praxistauglichkeit getestet. Das war für Matthias Betz und die anderen Informatiker teilweise stressig: „Bei den Workshops konnten die Feuerwehrleute das System mitgestalten, und wir mussten manchmal fertige Entwicklungen wieder wegwerfen.“ Denn ohne Akzeptanz nützt die beste Technik nicht. „Wir haben unsere Methode den Einsatztaktiken der Feuerwehren angepasst“, sagt Betz. Das Lesegerät muss auch robust designt sein: „Mit Feuerwehrhandschuhen können Sie kein iPhone bedienen.“

Vorbehalte gab es gegen noch ein zusätzliches Gerät: „Ein Atemschutzträger sieht doch heute schon aus wie ein Weihnachtsbaum“, hieß es. Könnte man es also vielleicht in das Prüfgerät für Atemluft integrieren? Wie motiviert man überhaupt zur ständigen Benutzung eines Werkzeugs, das nur selten wirklich gebraucht wird? Indem man den Nutzen im Alltag erhöht. Ein Nachfolgeprojekt untersucht jetzt die Weiterentwicklung der Technologie mit dem Ziel, die Koordination von Atemschutztrupps und überwachenden Führungskräften zu erweitern. Wenn das funktioniert, könnte sich auch die Produktions- und Bestellfrage neu stellen. Wer sein Leben für die Sicherheit anderer riskiert, dessen Sicherheit sollte es wert sein.