Kreuztal. .

Es war 1973, als der junge Kreuztaler Klaus Langenbach beruflich in New York zu tun hatte. Weil er Grüße aus Littfeld überbringen sollte, versuchte er, telefonisch Kontakt zu Berthold Meier in Manhattan aufzunehmen. Der rechtzeitig vor dem Holocaust emigrierte und aus Littfeld stammende Abkömmling der seit Ende des 18. Jahrhunderts dort lebenden jüdischen Familien legte den Hörer allerdings ganz schnell auf: „Als er Littfeld hörte, war das Gespräch beendet.“

Berthold Meier wollte nichts mehr wissen aus dem Land, wo fast alle seiner Angehörigen ermordet worden waren. Dennoch soll er nach dem Krieg inkognito die alte Heimat aufgesucht haben. Erfolgreich setzte er auch Wiedergutmachungsansprüche durch. In Manhattan begann er ein neues Leben in seinem alten Beruf als Metzger.

Inzwischen in Holzwickede wohnhaft berichtete Klaus Langenbach jetzt in der Weißen Villa von der nicht zu Stande gekommenen Begegnung. Das Kreuztaler Stadtarchiv hatte dorthin zu einem Vortrag mit dem Autor Dieter Pfau eingeladen, der die Ergebnisse der Dokumentation über „Die Juden im Amt Ferndorf“ in einem öffentlichen Vortrag zusammenfasste.

Für jeden Hinweis dankbar

Spurensuche fast 70 Jahre später wird immer schwieriger. Deshalb sind Historiker Dieter Pfau und Stadtarchivarin Ria Siewert für jeden Hinweis dankbar, der eine Verbindung zu den Familien Meier und ihren Nachkommen herstellt. In Israel und den USA leben sie noch. Lediglich zu den Enkeln von Hugo Meier in Israel gab es vor einiger Zeit Kontakt; er besuchte sogar Kreuztal.

Das in Archiven in Münster, Siegen und auch in Kreuztal gefundene historische Material über die Juden im Amt Ferndorf, die 1942 und 1943 deportiert und ermordet wurden, sollte eigentlich in einer Broschüre zusammengefasst werden. Herausgekommen ist nach zweijähriger Arbeit und aufwändigen Recherchen eine umfassende Dokumentation der knapp 150-jährigen Geschichte, die mit dem Zuzug von Benjamin Moses nach Burgholdinghausen begonnen hat.

Dieter Pfau zeigte vor einem interessierten und auch recht zahlreichen Publikum in der Weißen Villa die Entwicklung auf – von den eher liberalen Landesherren über die Zeit des Kaiserreichs bis hin zur Weimarer Republik und dem apokalyptischen Schlusskapitel unter den Nazis. Adolf Wurmbach, der fortschrittliche Heimatschriftsteller, berichtete von „Veteranen aus drei Feldzügen“, die im Gebetsraum der Littfelder Juden zusammenkamen, das sich im Hause der Wurmbachs befand: Mehr integriert konnten die Littfelder Juden nicht sein. Sie gründeten Schützenverein, Sparkasse und Feuerwehr mit und mussten erst unter den Nazis alle Mitgliedschaften aufgeben.

Keine Scheu vor Schweinefleisch

Als „reformierte“ Juden bezeichnete Dieter Pfau die beiden Familien Meier, die in der großen Bergbaugemeinde die beiden einzigen Metzgereien betrieben: Für die Bevölkerung wurde dort auch Schweinefleisch verarbeitet; die Geschäfte galten als unverzichtbar in der dörflichen Infrastruktur. Während das Nebeneinander von Christen und Juden in Littfeld lange Zeit unproblematisch verlief, sammelten sich die Antisemiten, die unter Einfluss von Hofprediger Stoecker standen: Namentlich Lehrer Jakob Henrich und Pastor August Stein aus Krombach profilierten sich als solche.

Ein Kapitel widmete der Vortrag auch der Enteignung der relativ wohlhabenden Familien Meier, die – wie alle Juden – durch ein „Gesetz zur Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben“ nach und nach um ihren Besitz gebracht wurden. Die Übereignung von Grundstücken und Haubergsanteilen der jüdischen Familien führte der Ferndorfer Amtsbürgermeister und spätere Oberkreisdirektor Dr. Erich Moning auf den „Landhunger“ der Littfelder Bevölkerung zurück.

Nach dem Krieg wurde behauptet, dies sei auf „freiwilliger“ Basis „zu einem angemessenen Preis“ geschehen. Der gesamte Hausrat der Familien Meier wurde für 1749,50 Reichsmark versteigert, das Geld ging ans Finanzamt. Viele Unterlagen darüber sind heute nicht mehr vorhanden. Vor den anrückenden Befreiern wurde deren Verbrennung angeordnet