Netphen-Deuz. . Sylvia Löhrmann überlegt kurz, als ihr Simon Rock vorgestellt wird, der Direktkandidat der Grünen im Siegener Umland-Wahlkreis. „Beim letzten Mal war’s Kraft“, blickt die stellvertretende Ministerpräsidentin auf Florian Kraft, den Kandidaten von 2010, „auch ganz interessant.“ Mit der (Zweit-?)Stimme für den grünen Kraft zur roten (Hannelore) Kraft — das klingt nach Wahlkampf.

Der aber will in der Dachstube des alten Deuzer Gasthauses Klein partout nicht in den Vordergrund treten: Eltern interessieren sich dafür, wann der Weg für ihr Kind mit Behinderung in die Regelschule ganz geöffnet wird, Lehrerinnen wollen wissen, was aus den Förderschulen wird und wie die Zukunft der Schulsozialarbeit aussieht, die noch aus dem Hartz-IV-Paket des Bundes bezahlt wird – ganz so, als ob es keine Frage sei, dass die Gesprächspartnerin vorn auf dem Podium ihre Amtsgeschäfte über den Wahltag ­hinaus nahtlos fortführt.

Simon Rock übernimmt den Part, über Geld zu reden und die Argumente der Opposition als „unsolidarisch“ und „unseriös“ zu qualifizieren – so gut, dass die Schulministerin, ganz gelernte Lehrerin, dem 23-Jährigen ein Kompliment über Bande zuspielt: „War der auf Ihrer Schule?“, fragt sie Rüdiger Käuser, dem im Publikum zuhörenden Leiter des Fürst-Johann-Moritz-Gymnasiums, der auch Sprecher der NRW-Gymnasialdirektoren ist. Und Käuser nickt.

Den eigentlichen Grundton des Abends trifft wohl Ingo Baldermann, der emeritierte evangelische Theologieprofessor, mit seiner Hommage an Rot-Grün: „Ich habe noch nie eine Regierung erlebt, die ich mit so viel Hochachtung und Sympathie verfolgt habe.“ Was den in der Lehrerausbildung erfahrenen Wissenschaftler nicht abhält, Kritik im Detail zu üben („Mir tut es weh, Ihre Unterschrift unter diesen Lehrplänen zu sehen“) und für die „Schule mit menschlichem Gesicht“ zu werben.

Ministerin kritisiert faulen Schulfrieden

Ein Thema, das später auch Grünen-Kreisvorsitzender Dr. Peter Neuhaus aufgreift. „Faul“ sei der Schulfrieden, und dass die Grünen die Gymnasialzeitverkürzung nicht zurückgenommen hätten, sei ein Fehler: „Da hätte ich mir etwas mehr Mut gewünscht.“ Die Ministerin hält davon nichts. Am Ende, sagt sie, werde sich der Weg zum Abi mit zwei Geschwindigkeiten etablieren: in acht Jahren auf dem Gymnasium, in neun Jahren über Sekundar- oder Gesamtschule. „Und Gymnasien, die sich klug anstellen, werden offensiv in die Kooperation mit den Sekundarschulen gehen“ – um die eigenen Oberstufen zu stärken.

Sylvia Löhrmann versucht, aus den vielen Fragen einen verbindenden Auftrag herauszuhören: „Wie kriegen wir die Angst aus der Schule?“ Die der Schüler vor dem Versagen, die der Eltern um den in Noten messbaren Erfolg ihrer Kinder, die der Lehrer vor dem Mobbing und die der Schulen an sich um ihren guten Ruf. Lehrerinnen und Lehrern allein will sie diese Aufgabe nicht überlassen. Viele Berufe, auch Künstler und Handwerker, können dazu beitragen: „Es braucht auch mal ganz normale Leute an der Schule“, sagt sie, „also Leute aus dem richtigen Leben.“

Empfehlung auf Facebook für Simon Rock

Nach gut zwei Stunden peilt Sylvia Löhrmann den Feierabend für diesen Wahlkampftag an, an dem sie schon in Leverkusen, Siegburg und Gummersbach aufgetreten ist. Vielleicht ist die Küche unten im Gasthaus ja noch nicht kalt. Beim späten Abendessen könnte sie dann noch erfahren haben, dass nicht nur die gute Schule den guten Nachwuchspolitiker macht: Mutter Helga Rock war schließlich Bundestagsabgeordnete. Ihren Facebook-Freunden berichtet Sylvia Löhrmann jedenfalls später von einer „tollen Veranstaltung in Netphen“. Und Simon Rock sei „ein fitter junger Direktkandidat“.