Siegen-Weidenau. .
Den Steinpilz und den Fliegenpilz kennt jeder – aber das ist noch längst nicht alles, was der Wald zu bieten hat. Rund 40 000 Pilzarten gibt es. Und zwar allein in Deutschland. Ohne die würde es den Wald auch nicht geben, weiß Lothar Radtke. Der Mykologe – also Pilzexperte – ist zuständig für den Pilzlehrpfad am Tiergarten in Weidenau.
Schon neben dem Parkplatz kann man bei einer Exkursion mit ihm viel entdecken. Die flächige Kohlenbeere breitet sich in schwarzen Knubbeln über einen Baumstamm aus und der abgeflachte Lackporling hat es sich ganz in der Nähe bequem gemacht. Einige Meter weiter entdeckt der Experte mit geübtem Auge Eichenwirrlinge und einen striegeligen Schichtpilz.
„So eine Vielfalt noch nicht erlebt“
„Ist der nicht schön?“, sagt Lothar Radtke und macht das Licht an seiner Lupe an, um die samtige Oberfläche besser zu sehen. Das siebenfache Vergrößerungsglas hat er immer dabei, ebenso wie eine Säge und einen Fotoapparat. Auch Schmetterlingstrameten wachsen an dem toten Baum. Ihre grüne Farbe käme von einer Alge, die wiederum auf den Pilzen wächst.
Was den Fachmann überrascht, ist die Vielfalt, die der Wald derzeit zu bieten hat: Normalerweise würde er um diese Jahreszeit auf etwa sechs Pilzarten stoßen – diesen März sind es aber etwa 40. „So etwas habe ich hier noch nie erlebt.“ Vermutlich seien das milde Wetter, der Nieselregel und die hohe Luftfeuchtigkeit die Gründe.
Die meisten Pilze wachsen jetzt an Totholz, für Bodensiedler ist es noch zu kalt. Immer wieder würden Spaziergänger fragen, warum die toten Stämme und Äste nicht beseitigt würden. Dabei ist das Überleben des Waldes abhängig davon, dass Pilze und Bakterien dieses Totholz und Laub zersetzen und so Nährstoffe für die lebenden Bäume schaffen.
Am Wegesrand des Lehrpfades liegen immer wieder tote Stämme, die von Pilzen bewohnt werden, viele fein säuberlich beschriftet. Erst kürzlich ist eine Station mit Ahorn, Fichte und Eiche dazugekommen. „Wir wollen sehen, was sich hier ansiedelt“, erklärt Lothar Radtke. Manchmal lohne es sich aber nicht nur genauer hinzusehen, sondern auch zu schnuppern. Am Anisporling zum Beispiel, denn der duftet überraschend stark nach dem gleichnamigen Gewürz.
Und ein anderes Mal muss man einfach nur ganz genau hingucken: Etwa um bei trockenem Wetter den Lärchenporling zu entdecken. Kleine weiße Punkte sind momentan nur zu sehen. Erst ein Blick durch die Lupe verrät, dass die Punkte eigentlich zusammengerollte Pilzköpfe sind, die nur darauf warten sich bei Regen zu entfalten. „Wenn die Punkte genügend Wasser bekommen, hat man in zwei Tagen einen hübschen Pilz“, sagt der Fachmann, während er den unscheinbaren Lärchenzweig genauer unter der Lupe betrachtet.