Siegen. .

Die neue Eurocity-Verbindung von Siegen nach Klagenfurt ist für Rollstuhlfahrer mit Tücken verbunden. Grund ist ein altbekanntes Problem: Die mangelnde Barrierefreiheit am Siegener Hauptbahnhof.

Anna Willmes reist gerne. Vergangenes Wochenende wollte sie zu einem jährlichen Treffen nach Stuttgart. Die neue Eurocity-Verbindung Siegen-Klagenfurt, die auch die baden-württembergische Hauptstadt anfährt, schien für die junge Frau optimal. Der Grund: Anna sitzt im Rollstuhl und muss so im Gegensatz zu anderen Verbindungen nicht umsteigen.

Beim Ein- und Ausstieg bietet die Bahn Hilfe durch den „Mobilitätsservice“ an. Als Anna und ihr Vater Jörg sich deswegen in Siegen erkundigten, kam aber die Ernüchterung: „Sowohl der Mitarbeiter am Schalter als auch die zuständige Hotline wussten nicht, ob jemand da ist, wenn sie wieder in Siegen ankommt“, so Jörg Willmes. Denn der Eurocity erreicht täglich erst um 21.57 Uhr den Siegener Bahnhof.

Die Servicezeit endet schon um 20.30 Uhr. Erschwerend kam hinzu, dass Anna an einem Sonntag zurück musste – und dann gibt es den Mobilitätsservice in Siegen gar nicht. Alleine vom Gleis 55 zum Bahnhofsvorplatz zu kommen ist für sie unmöglich: Der Mittelbahnsteig ist nur über Treppen erreichbar. Ein spezieller Übergang muss aus Sicherheitsgründen von einem Bahnmitarbeiter geöffnet werden, weil er über die Schienen führt.

Als Alternative bot die Bahn an, Anna könne im rund 80 Kilometer entfernten Gießen aussteigen, da dort der Service noch da wäre, wenn der Zug gegen 20.45 ankommt. Von dort aus müsse sie einen Hilfsdienst-Transport selbst organisieren. Für die junge Frau viel zu umständlich. Den Eurocity wollte sie schließlich nutzen, damit die Reise einfacher wird.

„Es könnte sein, dass sie hier also am Sonntag festsitzt“, befürchtete Jörg Willmes vor der Fahrt. Vom Bahnhof aus wollten Mitarbeiter des Vereins für Inklusion und Integration Invema die Rollstuhlfahrerin nach Hause bringen. Anna riskierte es trotz allen Bedenken und kam am Sonntagabend mit einer Stunde Verspätung auf Gleis 55 an. Zugbegleiter hatten ihr in Stuttgart in das Abteil geholfen und hoben sie samt Rollstuhl nun aus dem Waggon. Dann machte sich bei ihnen Ratlosigkeit breit: Denn Annas bestellte Helfer waren zunächst nicht zu sehen. Während sich eine Servicekraft entfernte und erstmal eine Zigarette anzündete, ergriff eine junge Mitarbeiterin die Initiative und kontaktierte die Helfer per Handy.

Überrascht nahm sie zur Kenntnis, dass der Siegener Bahnhof nicht barrierefrei ist. Sie erzählte, dass sie das Problem kenne, weil ihr Bruder ebenfalls im Rollstuhl säße und schob Anna selbst an. Gemeinsam mit den Invema-Helfern ging es dann doch noch über den speziellen rund zehn Meter breiten Schienenübergang – den nötigen Schlüssel für die Schranke hatten die Zugbegleiter.

„Behinderte Menschen wollen so frei sein wie Sie und ich – flächendeckend geht das aber leider nicht“, so ein Sprecher der Deutschen Bahn zu dem Fall. In Siegen sei die Bahn bei der Barrierefreiheit eben an die Grenzen gekommen.

„Die Eurocityverbindung ist erfreulich“, so Rainer Damerius, Behindertenbeauftragter der Stadt Siegen. Aber vor allem Rollstuhlfahrern würde sie dank des „schäbigen Bahnhofs“ nichts bringen. Die Alternative, per Transport aus Gießen anzureisen, hält er für fragwürdig. Schließlich würde bei Weitem nicht jeder Rollstuhl-Transport von der Krankenkasse übernommen. „Es ist seit vielen Jahren ein Ärgernis, dass in der Region Behinderte nicht als Kunden wahrgekommen werden“, so Damerius. Er höre oft, dass Menschen lieber auf einen Ausflug verzichten würden, als die Bahn von Siegen aus zu nutzen.

2012 soll das Barriere-Problem behoben werden. Bei der geplanten Modernisierung des Siegener Bahnhofs werden die Bahnsteigkanten angehoben, so dass Reisende beim Ein- und Ausstieg keine Stufe mehr überwinden müssen. Ein Aufzug soll den Zugang auf die Mittelgleise erleichtern. Erst dann können Rollstuhlfahrer den komfortablen Eurocity wirklich stressfrei nutzen.