Siegerland. Der Geheimdienst berichtet über zunehmenden Extremismus in allen Bereichen. Auch das Siegerland kommt im Verfassungsschutzbericht 2023 vor.
Der NRW-Verfassungsschutz hat seinen Bericht für das Jahr 2023 vorgelegt. Laut Innenminister Herbert Reul (CDU) ein „Seismograph, wie es um den Schutz unserer Demokratie steht“. Landesweit sei die Bedrohung durch Extremismus höher als je zuvor – in allen Bereichen, insbesondere aber durch Rechtsextremismus und Islamismus.
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Auch Siegen und das Siegerland tauchen im Verfassungsschutzbericht 2023 auf: Vor allem hat der Geheimdienst die Aktivitäten der rechtsextremistischen Splitterpartei „Der 3. Weg“ auf dem Schirm, die in Hilchenbach ihren „Stützpunkt“ unterhalten. Aber auch die sogenannte „Delegitimierer-Szene“, die sich in der Corona-Pandemie gebildet hat („Querdenker“) kommt in dem am Donnerstag, 18. April, veröffentlichten Dokument vor.
Neonazis: Rechtextreme hetzen pauschal gegen Menschen mit Migrationshintergrund
Als Sonderthema innerhalb des Rechtsextremismus widmet sich der Verfassungsschutz dem Nahost-Konflikt und den Auswirkungen auf die Szene in NRW. Demnach hätten deren Vertreter dies mehrfach zum Anlass genommen, ihre fremdenfeindlichen Thesen zu verbreiten. So sei vom „3. Weg“ anlässlich einer propalästinenischen Demonstration in Siegen Sorge geäußert worden: Daran hätten viele Menschen mit Migrationshintergrund teilgenommen, was die Rechtsextremen als Bedrohung gesehen hätten. Die Neonazis verglichen dann wenige Tage später einen Polizeieinsatz mit Schusswechsel in Gummersbach mit den Verhältnissen im Gazastreifen, bezogen diesen, warum auch immer, auf Siegen: „Durch die Gleichsetzung eines Polizeieinsatzes anlässlich eines Diebstahls mit den kriegsähnlichen Bedingungen im Gazastreifen wurden diese bagatellisiert und gleichzeitig instrumentalisiert, um die angeblich durch eine Masseneinwanderung gestiegene Kriminalität in Deutschland zu dramatisieren.“
Generell beschreibt der Geheimdienst Struktur und Aktivitäten der Splitterpartei in Hilchenbach, seit sie ihren eigentlich bevorzugten Standort in Siegen verlassen mussten. Mit den Räumen an der Dammstraße, so die Verfassungsschützer, würden die Rechtsextremen versuchen, sich als „Kümmerer“ darzustellen, soziale Hilfe anzubieten, die allerdings auf „Deutsche im völkisch-nationalistischen Sinne“ beschränkt sei. Der Geheimdienst verfolgte zudem auch die verschiedenen Aktivitäten der Neonazis (wir berichteten mehrfach) und die Versuche, sich gesellschaftlich anschlussfähig zu präsentieren. Was nicht gelinge. Man versuche zwar, öffentlichkeitswirksam und provokant aufzutreten und einzuschüchtern, könne den eigenen Einfluss aber nicht ausbauen. Schon gar nicht zur Mitte der Gesellschaft und auch nicht in der rechtsextremen Szene: Da sich der „3. Weg“ weitestgehend in der Tradition der Nationalsozialisten sehe und ein entsprechend elitäres Selbstverständnis an den Tag lege, strebten sie in NRW „weiterhin keine Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen“ an.
Zur vom „Stützpunkt“ ausgehenden Propaganda hält der Verfassungsschutz fest: Fortwährend würden Ängste vor Migranten geschürt, diese Menschen pauschal als kriminell und Gefahr für „Einheimische“ dargestellt. Dabei würden zahlreiche Gelegenheiten zur Hetze genutzt, etwa in Diskussionen um Flüchtlingsunterkünfte.
Delegitimierer: In Siegener Telegram-Gruppe wird zu Straftat aufgerufen
Noch etwa 300 Personen rechnet der Verfassungsschutz landesweit der Szene zu, die sich 2020 im Zuge der Corona-Pandemie gebildet hat. Es handelt sich demnach um inzwischen überwiegend lose strukturierte lokale (Klein-)Gruppen, teilweise Einzelpersonen, deren Aktivitäten sich zunehmend in die Sozialen Medien verlagern würden. Die Bewegung schaffe es kaum noch, nennenswert Personen auf die Straße zu bringen. Nach Ende der Pandemie gehe es hier vielfach nicht mehr um legitimen Protest gegen Regierungshandeln, sondern eine systemfeindliche Agenda mit dem Ziel, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu delegitimieren, heißt es weiter im Geheimdienstbericht. Die Szene sei auf einen kleinen „harten Kern“ zusammengeschmolzen, der sich zunehmend hinsichtlich einer staatsfeindlichen Ideologie radikalisiert habe. Bei diesem verschwimme auch zunehmend die Grenze zum Rechtsextremismus, was deren Vertreter ebenso wie Reichsbürger vereinzelt wiederum für sich nutzen würden.
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Einschüchterungsversuche und Straftaten fänden hier vorwiegend in der vermeintlichen Anonymität des Internets statt, notieren die Verfassungsschützer, vor allem vor dem Hintergrund eines „ausgeprägten Freund-Feind-Denkens“. Hier findet sich ein Bezug zu Siegen: Demnach sei im September 2023 in der Telegram-Gruppe „Siegen steht auf“ von einem Mitglied gefordert worden, den Virologen Christian Drosten „am nächsten Baum aufzuhängen“. Diese Gruppe überschreibt ihre Homepage mit „Friedlicher Widerstand“ und dass man „keinen Bock mehr auf Denunziation/Hass und Spaltung“ habe.