Siegen. Fünf Musiker und 14 (!) Sängerinnen und Sänger verbeugen sich vor Genie. Eine Wohltat für den leidenden Jazzclub Oase, der auch Kritik einfährt.
Aufregung schon lange vor Konzertbeginn. Vor allem „Oase“-Stammbesucher vermissen die Stühle, die sie im Lyz gewohnt sind. Da der Kartenvorverkauf so überaus gut gelaufen war, hatten die Oase-Verantwortlichen entschieden, aus dem Sting-Abend ein Stehplatzkonzert zu machen. So konnten deutlich mehr Zuschauer hereingelassen werden. Martin Bruch von Vorstand des Jazz-Clubs: „Dies geschieht nicht aus kapitalistischer Gier, sondern aus kultureller Not“. Schließlich leidet auch dieser traditionsreiche Club massiv unter zurückgehenden Besucherzahlen. Sei es drum: Wer sich der Tortur des langen Stehens nicht aussetzen wollte, konnte das Eintrittsgeld zurückbekommen. Doch fast alle bleiben und erleben einen großartigen Abend, in dessen Mittelpunkt die Musik von Sting steht und die heimischen Künstler, die ihn interpretieren.
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Das sind 14 Sängerinnen und Sänger und eine formidable Band von fünf renommierten Musikern, die sich um Schlagzeuger Florian Schnurr, den Ideengeber des Abends, geschart haben. „Bring on the Night“ ist der Dosenöffner des Konzerts. Leicht überpowert und das Publikum einbeziehend, wie es der Meister selbst auf einer seiner ersten Platten vorgemacht hat. Mit „Seven Days“ und „Mad about you“ kommen neue Farben ins Spiel, und ein Höhepunkt jagt den nächsten. Vor allem, weil es Florian Schnurr gelungen ist, Sängerinnen und Sänger zu finden, die alle dank ihres unterschiedlichen Stimmcharakters haargenau zu den jeweiligen Titeln passen.
Der Saal in Siegen kocht: „Ist das etwa auch von Sting?“
Einige sind erstmals dabei. „Ist das auch von Sting?“, ist im Publikum der am häufigsten zu hörende Satz des Abends. Kein Wunder, hat er, der inzwischen 72-Jährige, doch manches aus seinem Leben in seine Texte eingebaut. Etwa auch „Why should I cry for you“, eine tieftraurige Ballade, seinem verstorbenen Vater gewidmet, die zu einem der vielen emotionalen Höhepunkte des Abends wird. Ein Titel darf bei einem Sting-Abend nie fehlen: Der berühmte „Englishman in New York“. Wie geschaffen für Steve Tipping, den „Englishman aus Freudenberg“, einschließlich des so leichtfüßig swingend daherkommenden Saxofon-Solos. Der Saal kocht.
Sicher hat der „Englishman“ auch Biografisches. Denn eine solche musikalische Weltkarriere war Gordon Matthew Thomas Sumner nicht in die Wiege gelegt. Als Sohn eines Milchmanns und einer Friseuse legt er seinen nordenglischen Dialekt schnell ab und lässt sich, aufstiegsorientiert wie er ist, zum Grundschullehrer ausbilden. Doch in Wirklichkeit will er nur eins: (Bass-)Gitarre spielen und singen. Erst, von 1977 bis 2008, in dem Trio „The Police“, dann solo als „Sting“. Diesen Namen verdankt er einem Ausruf eines Bandkollegen, als Sumner einmal in einem schwarz-gelben Pullover auftritt und damit einer Wespe ähnelt: „Gordon‘s got a Sting“, auf Deutsch „Gordon hat einen Stachel“.
Konzert mit Liedern von Sting? Das würde perfekt ins Programm von Kultur Pur passen
Balladenhafte Sanftheit, kraftvoller Rock, erzählte Traurigkeit, Dynamik, eine Portion Jazz, eine Prise Country und im zweiten Teil des Abends auch ein tiefer Schluck aus dem Police-Fundus. Sting ist ein Gesamtkunstwerk, aus dem Florian Schnurr, seine Bandkollegen Folker Albrecht (Bass), Axel Grebe (Gitarre), Michael Strunk (Percussion), Stefan Weyel (Keys) und Frank Schröter (Saxofon) und die 14 Sängerinnen und Sänger ein regionales Konzert-Kunstwerk geschaffen haben. Am deutlichsten vielleicht zu erleben beim typischsten aller Sting-Hits „Every breath you take“, ganz am Ende, bei dem alle gemeinsam auf der Bühne stehen. Dabei hätte es im Saal niemanden mehr auf den Sitzen gehalten. Natürlich auch nicht am Freitagabend: Doch da stehen ohnehin schon alle.
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„Ich empfinde tiefe Dankbarkeit, solche Abende veranstalten zu können“, sagt Florian Schnurr. Das sieht das Publikum genauso. Ein Konzert mit Sting-Titeln würde auch perfekt in das Kultur-Pur-Programm passen.
>>>KOMMENTAR zum Sting-Konzert im Siegener Lyz: Information mangelhaft
Natürlich war der Sting-Abend nicht das erste Stehplatz-Konzert in der langen, ruhmreichen Geschichte des Siegener Jazzclubs Oase. Diesmal war das Problem aber, dass der Abend im Programmkalender nicht als solches angekündigt war. Viele Besucher hatten Karten erworben im sicheren Wissen, einen Sitzplatz zu bekommen. Doch es gab keine. Da bereits im Dezember alle (Sitzplatz)-Karten verkauft waren, hätte der Veranstalter zwei Möglichkeiten gehabt: Entweder den Vorverkauf sofort zu beenden oder ein Wiederholungskonzert anzubieten. Und es wäre reichlich Zeit gewesen, die Musikfreunde darüber zu informieren. Doch nichts geschah. So sehr dem Jazzclub die gute finanzielle Ausbeute zu gönnen ist: So verschafft man sich keine Sympathien.