Siegen. Schülerzahlen reichen für drei neue Grundschulen. Gebaut werden die aber nicht. Auch in den eigentlich abgeschriebenen Realschulen wird es eng.
Die Schulen füllen sich. „Eine erfreuliche Entwicklung“, kommentiert Schuldezernent Andree Schmidt, die auf gestiegene Geburtenzahlen zurückgeht, einerseits. Andererseits aber auch eine Herausforderung für die Schulen, räumt Schmidt im Schulausschuss ein. Allein bei den Grundschulen wird die Schülerzahl von rund 3500 im Schuljahr 2022/23 auf 4036 im Schuljahr 2027/28 steigen, 14,3 Prozent mehr. „Das sind zweieinhalb Grundschulen, die dazukommen.“ Bei den weiterführenden Schulen rechnet die Verwaltung im selben Zeitraum mit einem Wachstum von 15,45 Prozent, das sind 1018 Schülerinnen und Schüler mehr.
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Schul-Bauprogramm für die nächsten zehn Jahre in Siegen steht
Ein Schulbaukonzept fordert die Volt-Fraktion auch vor diesem Hintergrund. Andree Schmidt verweist darauf, dass die Stadt durchaus konzeptionell vorgehe. Die von Volt geforderte Berücksichtigung des „aktuellen pädagogischen Wandels“, wendet Joachim Pfeifer (SPD) ein, sei nicht Sache der Verwaltung – da müssten sich die Schulen selbst einbringen.
Elisabeth Nüßing (Grüne) regt an, statt einem Schulbaukonzept gleich ein externes Büro mit einer umfassenden Schulentwicklungsplanung „aus einem Guss“ zu beauftragen, das einen Zehn-Jahres-Zeitraum umfasst. Davon hält Schuldezernent Andree Schmidt nichts. „Die nächsten zehn Jahre sind voll“ – mit bereits geplanten Schulbauvorhaben. „Wir reden über Baumaßnahmen, die in den 30er Jahren beginnen.“ Vorhersagen über einen so langen Zeitraum seien aber schwierig. Beispielhaft nennt Schmidt den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen, der 2026 einsetzt und ein umfangreiches Bauprogramm nach ich ziehen würde. „Ich bin überzeugt, dass der Rechtsanspruch wieder kippen wird, weil er nicht umsetzbar ist.“ Beschlossen wird erst einmal nichts, die Beratung soll fortgesetzt werden.
Die Siegener Grundschulen: Weder Geld noch geeignete Bauplätze
Die Albert-Schweitzer-Schule in Geisweid hat einen Containerbau bekommen und wird bereits jetzt vierzügig geführt, weil an der Geisweider Schule abgewiesene Kinder aufgenommen werden mussten. „Zeitnah“, so die Verwaltung, sei nun zu entscheiden, wie die Schule dauerhaft ausgebaut wird – im Gespräch ist der ehemalige Schulstandort am Rüsterweg, der zeitweise als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde. Auf drei Züge erweitert ist die Jung-Stilling-Schule in Weidenau ins neue Schuljahr gestartet.
In Siegen-Mitte setzt die Verwaltung auf den Umzug der Spandauer Schule ins ehemalige Realschulgebäude auf dem Häusling, wo dann drei statt bisher zwei Klassenzüge zur Verfügung stehen. „Eine Erweiterung der Grundschulkapazitäten im Siegener Süden ist anzuraten und sollte geprüft werden.“ Bereits in diesem Schuljahr werden an der Grundschule Auf dem Hubenfeld (Niederschelden und Gosenbach) vier Eingangsklassen gebildet, und die Grundschule Eiserfeld musste Kinder aus Eiserfeld an den Teilstandort Eisern verweisen.
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Elisabeth Nüßing (Grüne) fragt, ob die Verwaltung mit Containern und übervollen Klassen („Rechnerisch habe ich da Klassen mit 31 Kindern rausbekommen“) plane – und warum sie die Neugründung kleinerer Grundschulen ausschließe. Schuldezernent Andree Schmidt widerspricht: „Ich würde mich total freuen, wenn die Politik sagt, wir bauen drei neue Grundschulen.“ Nur: Die Stadt habe dafür kein Geld, es gebe noch nicht einmal geeignete Bauplätze.
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Die Lage an den weiterführenden Schulen in Siegen
Als der Rat die Errichtung der vierten Gesamtschule auf dem Rosterberg beschloss, verband er damit das Aus für die letzte Hauptschule und die beiden Realschulen – nur so, so die Argumentation damals, ließen sich die vier 5. Klassen der neuen Gesamtschule füllen. Das Ergebnis des Bürgerentscheids am 1. März zwingt die Stadt dazu, Haupt- und Realschulen weiter in das Anmeldeverfahren einzubeziehen. An der Realschule Am Oberen Schloss wurden auch in diesem Schuljahr drei 5. Klassen gebildet, in der Prognose bis 2027/28 erscheinen wieder beide Realschulen.
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Die Steigerung der Schülerzahlen werde „in Wirklichkeit nicht ganz so drastisch“ ausfallen, merkt die Verwaltung in ihrer Vorlage an. Sie hat sich nämlich nicht festgelegt, wohin die künftigen Fünftklässler gegangen wären, wenn es die Gesamtschule auf dem Rosterberg nicht gäbe – zu den Realschulen, zu den Gymnasien oder zu anderen Gesamtschulen.
„Auch für die Hauptschule wäre eine Zukunft möglich“
Ebenso räumt die Verwaltung ein, dass für die Achenbacher Hauptschule „keine gesicherte Prognose“ möglich sei. Angenommen wird, dass es nicht mehr gelingen wird, dort Eingangsklassen zu bilden. Was auf den Widerspruch von Rektor Christoph Henrichs trifft: „Auch für die Hauptschule wäre eine Zukunft möglich.“ Nach Abschluss des Anmeldeverfahrens (drei Anmeldungen) seien auch bis zum Sommer wieder Eltern gekommen, die Kinder anmelden wollten. „Die hatten die Entwicklung gar nicht mitgekriegt.“ In die anderen Klassen seien seit den Sommerferien 25 Kinder dazugekommen. Anders als in den Vorjahren hatte die Stadt für eine Klasse 5 mit weniger als 18 Kindern keine Ausnahmegenehmigung bei der Bezirksregierung beantragt.
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Auf der Morgenröthe: Gymnasium braucht Platz
Handlungsbedarf besteht am Niederscheldener Morgenröthe-Schulzentrum. Würde das Gymnasium tatsächlich in fünf Jahren – so die Prognose – um rund 200 Schüler wachsen, wäre für eine Realschule kein Platz mehr. „Das ist gar nicht umsetzbar“, sagt Kevin Lee Hörnberger (FDP). Schuldezernent Andree Schmidt bestätigt: Dort muss entweder gebaut oder begrenzt werden. „Möglicherweise muss aber von der Möglichkeit des Ausschlusses auswärtiger Kinder mit eigenem Gymnasium in der Heimatkommune gemacht werden“, heißt es in der Vorlage. Das gilt auch für das Gymnasium Am Löhrtor, das mit mehr als 1000 Schülern vierzügig würde – wofür nach den bisherigen Darstellungen der Platz nicht ausreicht. „Da müsste man ein neues Gebäude bauen“, stellt Kevin Lee Hörnberger (FDP) fest.
Auch die nun vier Gesamtschulen sind zu klein, auf dem Giersberg und in Eiserfeld wird die Zahl der Anmeldungen laut Prognose das Platzangebot übersteigen. „Zeitnah“ müssten weitere Plätze geschaffen werden. „Gegebenenfalls müssen hier auch Kinder aus Rheinland-Pfalz abgewiesen werden, da diese keinen Anspruch auf eine Beschulung in Nordrhein-Westfalen haben.“
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Schuldezernent Andree Schmidt warnt davor, die Zahlen nicht zu beachten. „Die Prognose erfordert auch ein Handeln. Alles andere wäre fahrlässig.“ Nicht alle Prognosen der Vergangenheit waren verfehlt, merkt Sven Berghäuser, Direktor des Gymnasiums Auf der Morgenröthe, an. Bereits 2009 sei errechnet worden, das Siegen ein Gymnasium zu viel habe. „Das haben wir ein paar Jahre später als Schulleiter auch gesagt.“ 2021 beschloss der Rat das Aus für das Peter-Paul-Rubens-Gymnasium.