Siegen. Demo unter massiver Polizeibegleitung von Weidenau nach Siegen: Fast so viele Einsatzkräfte wie Teilnehmer bei „Siegen für ein freies Palästina“
- Pro-Palästina-Demonstration mit weniger Teilnehmern als erwartet – 250-320 statt 400.
- Polizei muss die Demo immer wieder wegen israelfeindlicher Parolen anhalten.
- Antifa Info Café Siegen kritisiert Demonstration – Anmelder tritt von Parteiamt zurück
Die bislang NRW-weit größte Pro-Palästina-Demonstration seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat am Freitagnachmittag, 13. Oktober, den Siegener Innenstadtverkehr für rund zwei Stunden in weiten Teilen zum Erliegen gebracht. Der Aufzug war für die Zeit von 15.30 bis 17.30 Uhr zwischen Bismarckplatz in Weidenau und Scheinerplatz in der Innenstadt angemeldet. Es kam zu einigen Verzögerungen unterwegs, um 18 Uhr wurde die Versammlung schließlich beendet.
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Die Polizei hatte massive Kräfte in Siegen zusammengezogen, um den Demonstrationszug „Siegen für ein freies Palästina“ mit zunächst 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (angemeldet waren 400) zu begleiten: Neben den Kräften der NRW-Bereitschaftspolizei und der Kreispolizeibehörde auch einige Mitglieder von Spezialeinheiten, insgesamt mehr als 200. Auch der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz war vor Ort. Am Montag war es bei einer ähnlichen Veranstaltung in Duisburg mit etwas mehr als 100 Teilnehmern zu Tumulten gekommen; die Sicherheitsbehörden waren entsprechend vorbereitet. Denn bei der Veranstaltung im Ruhrgebiet soll dazu aufgerufen worden sein, am Freitag zur Kundgebung nach Siegen zu kommen.
Nachdem sich der Zug in Weidenau mit Verspätung in Bewegung gesetzt hatte, heizte sich die Stimmung schnell auf, unterwegs kamen weitere Demonstranten dazu, es blieb letztlich aber friedlich. Die Teilnehmer waren zum überwiegenden Teil sehr jung; sehr viele Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien. Bei Sprechchören wie „Kindermörder Israel“ oder „Kindermörder Netanjahu“ schritten die Einsatzkräfte ein und stoppten den Aufzug. Strafrechtlich relevante antisemitische Äußerungen wurden nach Einschätzung der Polizei nicht getätigt. Schon bevor die Demo auf die Hagener Straße einbog, war ein kleiner Junge unter den Teilnehmern kollabiert, der Krankenwagen kam durch den bereits vorhandenen Stau nur langsam vorwärts.
Demo-Anmelder und Sprecher der Linke Siegen-Wittgenstein tritt zurück
Zwei Mannschaftsfahrzeuge der Polizei sicherten die Demonstrationsroute weit im Voraus, weitere Einheiten begleiteten den Zug. Der Verkehr wurde entsprechend früh gestoppt und erst wieder freigegeben, wenn der Aufzug vorüber war – das ganze fand mitten im Feierabendverkehr statt, es bildeten sich lange Staus. Immer wieder unterbrochen, gelangte die Versammlung über Sandstraße und Kölner Tor bis vors Apollo-Theater. Dort wurden die „Kindermörder“-Sprechchöre noch einmal mehr, sonst blieb es bei „Allahu akbar“ (Allah ist groß), „Freiheit für Gaza“ oder „Stoppt das Blut“. Auch der in der linken Szene übliche Schlachtruf „Hoch die internationale Solidarität“ wurde häufig skandiert. „Wir können die Versammlungsteilnehmer heute und zukünftig nur auffordern, sich nicht von terroristischen Vereinigungen manipulieren zu lassen und sich von Terror und Gewalt in jeder Form zu distanzieren“, so der verantwortliche Polizeiführer Thomas Fürst.
Angemeldet hatte die Veranstaltung Informationen dieser Zeitung zufolge der frühere Sprecher der Linke in Siegen-Wittgenstein, Roland Wiegel. Nach Aussagen des Kreisvorstands der Partei trat Wiegel, der selbst nicht vor Ort war, noch vor Beginn der Demo von seinem Posten zurück. Man fühle sich von diesen Ereignissen überrollt – demnach habe Wiegel den Vorstand per WhatsApp davon unterrichtet. Die Linke unterstütze diese Demonstration ausdrücklich nicht, das sei klare Beschlusslage, hieß es auf Anfrage. Zuletzt war mehrfach Kritik an Wiegel wegen dessen politischer Ansichten geäußert worden.
Antifa kritisiert linke Siegener Gruppen und Personen: „Stellen uns als Linke gegen euch“
Das Siegener Antifa Info Café kritisiert die Demonstration und Wiegel scharf, ohne seinen Namen zu nennen: Ausgerechnet an dem Tag, an dem die „antisemitische Terrororganisation“ Hamas zum weltweiten Dschihad gegen Israel und jüdisches Leben aufrufe, „organisieren einzelne linke Gruppen aus Siegen eine Demonstration“. Diese Symbolik, keine Woche nach den Massakern an israelischen Zivilisten, „ist für uns unerträglich“. Einzige Absicht der Hamas sei es mit ihrem Angriff gewesen, so viele Jüdinnen und Juden wie möglich zu misshandeln, zu erniedrigen, zu töten – „blanker Antisemitismus!“, hieß es in einer Mitteilung
Die Erklärungen und Rechtfertigungen dieser linken Gruppen in Siegen und bundesweit, ihr vermeintlicher „Befreiungskampf“ würden den antisemitischen Terror der Hamas verharmlosen und von Unkenntnis der Geschichte und Situation im Nahen Osten zeugen. „Ihnen sagen wir: ‘Ihr habt jeden Pfad von Gesellschaftskritik verlassen. Wir stellen uns als Linke gegen euch!“. Schon in der Vergangenheit seien diese Gruppen nicht in der Lage gewesen, Nationalisten, Islamisten und antisemitische Forderungen von ihren Demonstrationen fernzuhalten. „Dass erneut eine solche Demonstration an einem solchen Tag organisiert wird, ist für uns der Beleg, dass sie die Teilnahme und den Schulterschluss mindestens billigend in Kauf nehmen!“
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Für Samstag, 14. Oktober, ist auf dem Scheinerplatz eine Solidaritätskundgebung als Zeichen der Anteilnahme mit den Menschen in Israel angemeldet. Verantwortlich ist ein Bündnis um die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (CJZ).
Hier unsere Liveberichterstattung über den Demozug in Siegen zum Nachlesen
17.43 Uhr: Die Rufe „Israel Kindermörder“ werden mehr. Die Demo ist an ihrem Ziel angekommen. Nach Angaben der Polizei sind es 320 Demonstrierende, es sei im Grunde alles friedlich geblieben. Die Straßen sind wieder freigegeben.
17.28 Uhr: Die Demonstration ist im Stadtzentrum angekommen. Hier sind die Straßen noch gesperrt, in den umliegenden Straßen dürften sich die Staus langsam auflösen.
16.45 Uhr: Die Stimmung wird aufgeheizter. Unterwegs hält die Polizei die Demo immer mal wieder an, wenn israelfeindliche Parolen wie „Israel Kindermörder“ zu hören sind. Wiederholt müssen die Beamten Ansagen machen, dass das zu unterbleiben hat. Der Zug kommt nur langsam voran, das Verkehrschaos ist perfekt. Viele junge Leute laufen bei der Demonstration mit: Kinder, Jugendliche, junge Familien.
16.30 Uhr: Die Demonstration ist auf der Hagener Straße angelangt. Die Hauptstraße und ihr Verkehr sind damit komplett blockiert.
16.25 Uhr: Unter massiver Polizeibegleitung ist die Pro-Palästina-Demo nun unterwegs. Es sind deutlich weniger als die erwarteten 400 Personen – die Polizei spricht von 220 bis 250 Demonstrantinnen und Demonstranten. Damit sind es mehr Menschen als bei der Demonstration am Montag in Duisburg, etwa genauso viel Polizei – fast eher noch mehr.
16.10 Uhr: Start der Pro-Palästina-Demonstration ist der Bismarckplatz in Siegen-Weidenau.