Siegen-Wittgenstein. Vor allem online haben Hassprediger Zulauf von jungen Menschen, berichtet der Staatsschutz. Die Polizei sieht NRW-weit hohes Gefährderpotenzial.
Das Internet macht es Hetzern einfach, Hassbotschaften zu verbreiten. Zunehmend, beobachten die Behörden, verlagert sich politisch motivierte Kriminalität (PMK) ins Netz, auch in Siegen-Wittgenstein. Die Zahl der Straftaten, die diesem Deliktbereich zugeordnet werden, bewegt sich seit einigen Jahren dabei auf ähnlichem Niveau. Allerdings verschiebt sich innerhalb etwas: Gewaltdelikte sind nämlich stark rückläufig. 2022 wurde bei 137 PMK-Straftaten nur ein Gewaltdelikt im Kreisgebiet registriert – 2019 waren es 12.
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Das geht aus dem regionalen Extremismus-Bericht hervor, den die zuständige Kriminalinspektion Staatsschutz des Polizeipräsidiums Hagen dem Kreistag vorlegt. Seit 2012 wird alle drei Jahre der Status in Sachen „Extremismus – regionale Szene und Aktivitäten“ vorgelegt, ebenso nehmen die umfangreichen Präventionsangebote breiten Raum ein. Die aktuelle Ausgabe beschreit die Jahre 2019 bis 2022. Die Aufklärungsquote ist dabei leicht gesunken, von 36 Prozent bei 126 Straftaten im Jahr 2019 auf 31 Prozent bei 137 Straftaten in 2022. 2020 waren es 134 Straftaten, 11 davon Gewaltdelikte, 39 Prozent Aufklärungsquote. Ein Jahr später, 2021: 149 Straftaten, 7 Gewaltdelikte, 35 Prozent aufgeklärt.
Anstieg politischer Kriminalität durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg
Den höchsten Anteil der PMK-Delikte machen laut Staatsschutz seit Jahren Propagandadelikte aus – Hakenkreuzschmierereien und ähnliches, die schwer aufzuklären seien. Mehr als 90 Prozent kommen demnach von Rechtsaußen. Der Staatsschutz unterscheidet dabei Phänomenbereiche: Rechts- und Linksextremismus, ausländische und religiöse Ideologien sowie Sonstige/nicht zuzuordnen. Bei Rechts und Links ist die Tendenz demnach absteigend: Von 2019 bis 2022 von 78 auf 72 bzw. 28 auf 19 Straftaten. Auf niedrigerem Niveau verzeichnen die Beamten bei den ausländischen Ideologien einen Anstieg (von 3 auf 11), vor allem zurückzuführen auf „Belohnung/Billigung von Straftaten“ im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Unter „nicht zuzuordnen" (Anstieg von 17 auf 34) fallen demnach die gehäuften Verstöße gegen das Versammlungsrecht im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
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Religiösen Extremismus beobachten die Staatsschützer überwiegend im Zusammenhang mit Salafismus, einer radikalen Auslegung des Islam. Eine öffentlich auftretende Szene gibt es in Siegen-Wittgenstein zwar nicht – was auch daran liegt, dass diese Gruppen starken Zulauf von jungen Menschen erfahren und sich die Radikalisierung ins Internet verlagert hat. Auf dem Radar der Behörden tauchte aber eine tadschikisch-salafistische Gruppe auf, die das Oberlandesgericht Düsseldorf im September 2022 wegen geplanter Terroranschläge zu Haftstrafen verurteilte. Mehrere Mitglieder der Zelle wohnten im Kreisgebiet. Die Szene bleibt aber oft „unter dem Radar“, die Personenzahl sei in NRW „sehr hoch“ , die Gefährdung ebenso – aber schwer erkennbar. Die Polizei schöpfe hier alle taktischen, rechtlichen, personellen und technischen Ressourcen aus: Strategisches Hauptziel sei Früherkennung von rechtem und islamistischen Terrorismus und damit Verhinderung schwerster Straftaten.