Geisweid. Der Frauenchor Vocapella zeigt direkt bei der Bühnenpremiere die sängerische Klasse. „Joiken“ aus dem hohen Norden hört man im Siegerland selten.

Mancher fährt tausende Kilometer nach Skandinavien, um das Nordlicht zu erleben. Aber: Dieses Phänomen kommt nicht auf Knopfdruck und manchmal überhaupt nicht. Da waren die vielen Musikfreunde, die am Samstagabend zu später Stunde die evangelische Kirche im Wenscht füllen, in deutlich komfortablerer Situation: Sie genießen nordische Klänge, garniert mit Tanz, wunderbaren Lichteffekten, darunter auch das ersehnte Nordlicht, auf großer Leinwand hinter den Vokalistinnen eingeblendet.

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Doch im Mittelpunkt steht die Musik, dargeboten von den 13 Vocapella-Damen, die viele Jahre als Chorgruppe dem traditionsreichen Euterpe Siegen angehörten, aber seit letztem Jahr ein eigener Verein sind. Das Programm: Kompositionen von Ola Gjeilo, dem jungen, innovativen norwegischen Komponisten und Pianisten, Balladen von Rebekka Bakken, der bekanntesten Interpretin von Jazz und Pop in Nordeuropa – und auch, bisher erstmalig in der Region zu hören, die Musik der Samen, der Urbevölkerung Nordeuropas. Knapp 100.000 gibt es noch, die teilweise in Norwegen, Schweden und Finnland leben. Ihre Gesänge, „Joik“ genannt, sind Lautmalereien, klangvoll, harmonisch, durchaus auch zum Mitsingen geeignet, wozu Chorleiterin Christina Schmitt die Besucher im Laufe des Konzerts dann auch zweimal einlädt.

Oberstimmen wie mit dem Lineal gezogen: Chorleiterin hat alles im Griff

Doch vorher heißt es für das Publikum Zuhören und Genießen: Etwa Ola Gjeilos anspruchsvolle Neubearbeitungen alter Klänge und wie Vocapella sie interpretiert. Da paart sich Klangschönheit und Harmonie mit rasantem Rhythmuswechsel, staunt der Zuhörer über den wunderbaren Ausgleich der Stimmgruppen und die feinen dynamischen Abstufungen. Wohltuend, wie die Sopräne ihre Oberstimmen gestalten. Völlig ohne Vibrato, fast wie mit dem Lineal gezogen. Stimmkultur, die die Handschrift der Chorleiterin Christina Schmitt trägt, die ebenso mitreißend wie leicht und souverän ihre Sängerinnen dirigiert und alles im Griff hat.

Spannung bekommt ein Programm vor allem auch durch Abwechslung. Die gibt es reichlich. Nicht nur, dass sich die Sängerinnen nach jedem Titel in leicht veränderter Aufstellung präsentieren und das unaufgeregt und fast wie von selbst hinbekommen. Einige haben die Möglichkeit, auch ihre solistischen Fähigkeiten zu präsentieren und nutzen sie beeindruckend. So wird ein Duett zu einem der musikalischen Höhepunkte des Abends.

Vier Männerstimmen sind zu Gast: herber Anstrich für den „Joik“

Als Gäste zu nennen sind vor allem vier Männerstimmen, die den Gesängen des Joiks einen herberen Anstrich geben. Einen zusätzlichen, diesmal optischen Genuss bringt Alice Rerich ins Spiel, die einige Lieder von Vocapella in tänzerische Bewegungen umsetzt.

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Ganz wichtig sind die drei Musiker: Saxofonist Christian Griffel, Schlagzeuger Boris Marcukaitis und von allem Christian Schmidt, der Mann am Klavier. Höhepunkt: Seine Interpretation der „Morgenstimmung“ von Edvard Grieg, in die er sogar einen Mega-Hit der norwegischen Band „a-ha“ hineinimprovisiert. Doch das Team ist der Star: Die Frauen von Vocapella, die an diesem Abend das erste Konzert ihrer noch sehr jungen Geschichte bieten und zeigen, dass sie zu einem Spitzenensemble gereift sind, das sich mit den besten Chören der Region auf Augenhöhe befindet.