Netphen. Der neue Bewegungspark wird von den Netphenern sofort mit Beschlag belegt: Was hier alles geht, was noch fehlt und wie es weitergeht.
Ein Mädchen läuft über die Reifen, ein anderes beobachtet den Opa bei den Liegestützen. Calisthenics heißt das Training mit dem eigenen Körpergewicht, das Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach als gelernte Physiotherapeutin gleich nebenan mit Klimmzügen vorführt. Auf der Skaterbahn sind Jugendliche mit Fahrrad und Skateboard unterwegs, im Kleinspiel-Fußballfeld wird auf Rasen gekickt, die Boulebahn wird mit Boccia-Kugeln nicht ganz stilgerecht bespielt, auf dem Streetballfeld kabbeln sich Vater und Sohn um den Ball, der gleich im Korb landen wird. Der Bewegungspark wird eröffnet.
Am größten ist das Gewusel rund um die große Kletterlandschaft. Nicht nur Kinder gehen auf die Rutsche, nicht nur Erwachsene hocken sich zum Picknick auf den Boden oder nehmen an den Tischgruppen Platz, die schnell mit Speisen und Getränken beladen sind. Sie kommen aus allen Richtungen: über die Wege vom Freizeitparkplatz vor und hinter der Trampolinarena, über den Fußweg von der Turnhalle und am Reiterhof vorbei, über die neu gebaute Obernaubrücke vom Radweg aus, der Netphen und die Talsperre verbindet. Oder sie laufen einfach durch den Bach.
Skaterbahn: Jugendliche haben mitbestimmt
Während die Ersten alles ausprobieren, wird oben an der Halle geredet. Bürgermeister Paul Wagener ist besonders stolz auf die Skaterbahn, die – mit inspiriert von den zwei Workshops mit Netphener Jugendlichen – in Handarbeit von den Mind Work Ramps modelliert wurde, ein Unternehmen aus der lettischen Hauptstadt Riga: „Eine tolle Leistung.“ Die Anlage möge „einen positiven Beitrag zum Zusammenleben leisten“, wünscht der Bürgermeister. Denn: „Bewegung und Begegnung gehören zusammen.“
Der Landrat lässt sich von Ulla Belz vertreten, die – passend zum Anlass – auch stellvertretende Vorsitzende des Kreissportbundes ist: „Hier kehrt jetzt richtig Leben ein“, freut sich die stellvertretende Landrätin, „der Bewegungspark lädt schon beim Anblick zum Besuch ein, vielleicht nicht nur die Netphener allein.“ Den Glückwünschen schließen sich CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach („Wir sind alle darauf angewiesen, dass wir uns bewegen“) und SPD-Bundestagsabgeordnete Luiza Licina-Bode an, die im Bewegungspark auch eine Chance für neue Gemeinschaft sieht: Hier werde Teilhabe ermöglicht. „Eine ganz tolle Anlage.“
So fing es an: Geld für Bewegungspark, kein Geld für Eishalle
Woran niemand mehr erinnert, ist die Entstehungsgeschichte: Denn eigentlich hatte die Stadt 2018 die Bundes- und Landesmittel für die „Soziale Integration im Quartier“ hauptsächlich für die Wiederherstellung der Eishalle beantragt. Das Sieben-Millionen-Euro-Ding fiel durch. Bewilligt wurde der zweite Antrag: 90 Prozent, also rund 972.000 Euro für den Bewegungspark. Der ist nun fertig, während für die Eishalle der Abbruchbagger bestimmt ist. Der kommt nun erst nächstes Jahr – ein Schadstoffgutachten musste abgewartet werden.
2019 hat die Stadt erst einmal aufräumen lassen. In den 1970er Jahren, als der Freizeitpark mit Eishalle gebaut wurde, befanden sich hier Tennisplätze. Einer blieb übrig, auf der anderen Fläche legten die Betreiber eine Kartbahn an, über die auch längst Gras gewachsen war. Am Ende mussten nicht nur die dazwischen gewachsenen Bäumchen, sondern auch rund 3000 Autoreifen beseitigt werden, die zur Abgrenzung der Piste verwendet worden waren. Oben, auf dem letzten Tennisplatz, wurde dann mit dem Parkour-Kurs und der Workout-Anlage begonnen.
Verzögerungen: Lärmschutzwand und Kostenexplosion
Aus der für Herbst 2020 angekündigten Eröffnung wurde nichts. Das lag an einem Lärmschutzgutachten. Tatsächlich rückte dasselbe Problem wieder in den Blick, das schon die Eishalle hatte. Die Stadt entschied sich für die Umplanung und eine Lärmschutzwand – sonst hätte die Anlage abends und an Sonntagen geschlossen werden müssen. Auch an den Details der Skaterbahn musste gearbeitet werden: Für die von den Jugendlichen gewünschte Bowl reichte der Platz nicht, dafür wurden die Seiten abgerundet und ein Fahren wie in einer Halfpipe ermöglicht, eine Fläche ist sogar höhenverstellbar.
Dann kam Corona. Damit einher gingen Lieferkettenprobleme. Es folgte der Ukraine-Krieg, die Kosten explodierten. Die Stadt begann zu sparen. „Wir haben alles selbst geplant“, berichtet Tiefbau-Fachbereichsleiter Rainer Schild. Im Calisthenics-Bereich liegt nun Kies auf dem Boden statt weicher Fallschutz. Dass es weder im Frühjahr 2021 noch im Frühjahr 2022 – die nächsten angekündigten Termine – zur Eröffnung kam, lag auch an der Vorsicht der Verwaltung. Erst als sich abzeichnete, dass das Geld reichen würde, wurde auch noch das Kleinspielfeld mit den Fußballtoren gebaut. Das liegt jetzt eingezäunt in einer Senke – der Arena-Effekt ist aber nur willkommene Begleiterscheinung. Wäre auf einer Ebene mit den anderen Anlagen gebaut worden, hätte die Lärmschutzwand länger und fünf Meter höher werden müssen. 1,1 Millionen Euro hat alles am Ende gekostet. Genau so viel wie vor fünf Jahren geplant.
So geht es weiter: Biergarten dringend gewünscht
Betreut und beworben wird der Bewegungspark von der städtischen Freizeitpark Obernautal GmbH. Deren Geschäftsführer Michael Niederkorn sieht in der Anlage ein Angebot, das auch Trampolinhalle, Fitnessstudios und Freizeitbad stützen wird: Man kann den Aufenthalt um eine Zeit in dem neuen Park verlängern, nach dem – zu bezahlenden – Springen noch kostenlos skaten oder den Fitnesskurs gleich aus der Halle nach draußen verlegen. „Wir sind froh, dass wir das mit vermarkten können“, sagt Michael Niederkorn, „jetzt fehlt noch eine ordentliche Gastronomie.“
Zumindest einen provisorischen Biergarten oben auf der Terrasse über dem Park stellt sich an diesem Nachmittag bei gleißender Sonne so mancher Gast vor – übrigens auch eine Ergänzung um einen Spielplatz für die ganz Kleinen, die hier ein bisschen zu kurz kommen. Fertig ist das alles nämlich noch lange nicht. Kommt nach dem Abriss der Eishalle eine neue Indoor-Halle? Wird auf dem Parkplatz eine neue Gastronomie gebaut? „Es werden viele Möglichkeiten diskutiert“, sagt Bürgermeister Paul Wagener. „Wir müssen aber erst mal Schulen bauen“, sagt Beigeordneter Andreas Fresen.
Was kommt, ist der Wohnmobilstellplatz im Bereich des Freibades – oder auf den Minigolfplatz, der dann an die Stelle des Beachvolleyballfeldes rücken würde. Und dann – wird wieder viel Zeit gebraucht. Die beim Boulespiel zu Weißbrot und Rotwein wie im Flug vergeht.