Hilchenbach. Vor 40 Jahren hat der TuS Hilchenbach den Betrieb des Freibads übernommen. Das wird am Samstag gefeiert. Ein Blick zurück – und nach vorn.
Vor 40 Jahren hat der TuS Hilchenbach den Betrieb des Freibades in der Ferndorfstraße übernommen. Gefeiert wird das am Samstag, 12. August, ab 11 Uhr mit einem Frühschoppen, zu dem der Spielmannszug des TuS Hilchenbach aufspielt. Der Badebetrieb beginnt um 13 Uhr – mit Spielen im und am Wasser, Stand-up-Paddling, Bubble Soccer und Hüpfburgen. Unter den Motto „Almuts Fitmix“ wird um 17 Uhr „Fitness für alle“ aufgerufen.
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Stadt Hilchenbach wollte das Freibad schon schließen
Der Rekordsommer 1973 war schon zehn Jahre her: Damals wurden in allen – noch drei – Hilchenbacher Freibädern zusammen 307.000 Badegäste gezählt. Auch 1976 war nicht schlecht: Bis Anfang September wurden 107.950 Gäste begrüßt. Danach ging es bergab: Die zwei folgenden Sommer wurden nur rund 42.000 und 47.000 Besucherinnen und Besucher begrüßt – das Wetter hatte nicht mitgespielt. Und dann wurden auch noch Renovierungs- und Sanierungsarbeiten fällig, für die die Stadt kein Geld hatte.
Es wurde gespart, zunächst an der Heizung: Die Saison 1979 hatte schon unterkühlt begonnen, weil die Heizung erst spät eingeschaltet worden war. Am 23. Juli – Bad-Chronistin Brigitte Menne hat das Datum festgehalten – war der Heizöltank leer. Weil die Besucherzahlen, wohl auch wegen des kalten Wassers, gering waren, wurde aus dem Rathaus kein neues Heizöl mehr bestellt. Im November beschloss der Rat, 1980 die Heizung zwecks „Energiekosteneinsparung“ gar nicht erst einzuschalten. Das rächte sich, weil – so Brigitte Menne – „auch der Sommer 1980 mehr oder weniger einem sechswöchigen Dauerregen zum Opfer fiel“. 14.842 Badegäste – das war ein Tiefststand.
Die Stadt reagiert: 1981 wird wieder geheizt, allerdings nur auf 21 statt auf 23 Grad, die Eintrittspreise werden erhöht, von 1,50 auf zwei Mark für Erwachsene und von 75 Pfennigen auf eine Mark für Jugendliche. Der Sommer ist wieder verregnet, den Besucherzahlen tut das nicht gut. 1981 bleibt die Heizung aus. In beiden Jahren kommen jeweils rund 30.000 Badegäste. Am Jahresende 1981 zieht der Rat die Notbremse: Die Freibäder werden entweder geschlossen oder an die Sportvereine übergeben.
TuS Hilchenbach übernimmt 1983 den Betrieb
Im Mai 1983 beschließt die Mitgliederversammlung des TuS Hilchenbach die Übernahme des Freibadbetriebs, zunächst für ein Jahr. Ulrich Weiß wird nun für lange Zeit die ehrenamtliche Freibad-Arbeitsgruppe leiten, das um studentische Hilfskräfte verstärkt wird. Der erste Sommer wird auch gleich wieder ein Supersommer, fortan kommen Jahr für Jahr um die 45.000 Badegäste. Von Herbst 1989 bis Frühjahr 1990 wird das Bad dann endlich auch von der Stadt renoviert – der TuS hatte ordentlich Druck gemacht und mit der Nicht-Verlängerung des Vertrages gedroht. Seit 1994 hat das Freibad eine Wasserrutsche, seit vorigem Jahr auch einen Wasserspielplatz. 2006 gründet sich ein Förderverein.
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1999 wird ein Kind im Allenbacher Freibad so schwer verletzt, dass es lebenslang mit einer Behinderung umgehen muss. Eine weitere Badesaison wird es dort nicht mehr geben; heute steht auf dem Gelände beim Stift Keppel die Kita Hannes. In der Folge muss nun aber wieder ein technischer Betriebsleiter in die Bäder – es sei denn, das Bad hat, wie das seit 1986 vom TuS Müsen betriebene Naturfreibad in Müsen, keine Wasseraufbereitungsanlage. Seitdem setzt die Stadt im Freibad Hilchenbach wieder eigenes Personal ein. Mittlerweile sind zusätzlich zu den vom Verein beauftragten Rettungsschwimmern drei Fachkräfte im Team.
Am Anfang nur eine „Badeanstalt“ ohne „Luftbad“
Begonnen hat die Hilchenbacher Freibadgeschichte mit einer Bürgerinitiative, die bereits 1901 eine „Schwimm-Badeanstalt“ fordert. Von Anfang an dabei ist der Fabrikant Wilhelm Münker, Mitbegründer des Jugendherbergswerks und späterer Ehrenbürger der Stadt. Zu dieser Zeit gibt es schon das Schwimmbecken des Lehrerseminars im Langenfeld und den „Tollen Teich“ bei der Westfalia. 1906 schließlich beschließt die Stadt den Bau des Freibades an der heutigen Ferndorfstraße, für dessen Betrieb sie sich eine Kostenbeteiligung durch Wilhelm Münker und den Frauenarzt Dr. Oscar Weiss garantieren lässt. Am 2. Juni 1906 ist Eröffnung, 6600 Gäste kommen im ersten Sommer.
Die „Badeanstalt“ besteht aus einem eingezäunten Becken und dem Umkleidegebäude – das, natürlich mehrfach erweitert, seinen Dienst tut, bis es in der Neujahrsnacht 2010 abbrennt, angezündet von zwei Jugendlichen. Das eigentliche Freibad entsteht erst 1909, indem dem Schwimmbecken ein „Licht- und Luftbad“ angegliedert wird, das zunächst von der Badeanstalt getrennt ist. Nur eine Verbindungstür durch den Bretterzaun ermöglicht das Wechseln zwischen den Bereichen. Nach wie vor baden Männer, Frauen, „Seminaristen und Schüler“ zu unterschiedlichen Zeiten getrennt, maximal für eine Dreiviertelstunde. „Mädchen war das Schwimmen während der Ferien nachmittags in der Zeit von 3 bis 4 Uhr, aus welchen Gründen auch immer, nicht gestattet“, schreibt Brigitte Menne.
Die Stadt Hilchenbach berichtet über das Jahr 1912 und „die kältesten Hundstage seit 130 Jahren“: Das Wasser wurde im Schnitt nicht wärmer als 16,7 Grad, „im September meist unter 14 Grad“. Dass trotzdem fast 12.000 Badegäste kamen, sei „in erster Linie erzielt worden durch die eifrige Beteiligung der Seminarschule“. In den kalten Sommern – auch 1907 war so einer – waren nur ein Viertel der Badegäste weiblich. „Noch ungünstiger war die Beteiligung der Sommerfrischler und Feriengäste, da gerade die Ferienzeit sich durch denkbar schlechtes Wetter auszeichnete.“
Stadt Hilchenbach bereitet Sanierung vor
1938 wird das Freibad mit neuen Schwimmbecken ausgestattet und deutlich vergrößert, 1969 eine Ölheizung für die Erwärmung des Wassers angeschafft. Die letzte Modernisierung der Freibadtechnik ist über 20 Jahre her – die Frage nach einer neuen Beckenfolie oder gar einer Edelstahlauskleidung rückt langsam auf die Tagesordnung. Die große Investition ist verbunden mit Überlegungen zur Zukunft der gesamtem Hilchenbacher Bäderlandschaft, zu der auch das Dahlbrucher Hallenbad gehört. Mögliche Alternativen zum weiteren Betrieb durch die Lenne Therme werden derzeit in einem Gutachten untersucht.
Aktuell lässt die Stadt den Sanierungsbedarf feststellen, um Zuschüsse aus dem Bundesprogramm zur „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ zu beantragen – derselbe Topf, mit dem die Stadt Kreuztal die Sanierung des Freibades Buschhütten finanzieren will. Die Investitionssumme muss dafür mindestens eine Million Euro betragen, der 55-prozentige Stadt-Anteil folglich 550.000 Euro. „Wenn es sich wirtschaftlich darstellen lässt“, so Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis, werde die Stadt dort einsteigen.
Wasser wird von der Sonne beheizt
20 bis 25 Leute arbeiten im Freibad-Team des TuS mit. Die meisten, wie die 5er-Mannschaft zur Pflege des Geländes oder die Kioskgruppe, ehrenamtlich. Rettungsschwimmer bekommen Geld für ihre Arbeit, ebenso Schüler und Studenten, die den Betrieb unterstützen. „Da steckt eine Menge Herzblut drin“, weiß Ralf Limper, amtierender Vorsitzender des TuS, der im Auftrag der Stadt zugleich auch noch die Ballspielhalle betreibt. Ein Einsatz, von dem auch die Vereinsmitglieder profitieren, vor allem aber die ganze Stadtgesellschaft. „Uns liegt viel an den Kindern und Jugendlichen“, sagt Ralf Limper. Deshalb hat der TuS auch erstmals einen Schwimmkurs für Kinder angeboten – und dafür, mit Unterstützung der Bürgerstiftung, das Schwimmbecken in der benachbarten Celenus-Klinik nutzen können. Denn dort ist das Wasser in diesem eher durchwachsenen Sommer wärmer.
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Nicht, dass sie es mit der Solar-Absorberanlage in Freibad nicht schon auf 26 Grad geschafft hätten und die Heizung, weil die Sonne so stark schien, sogar abgeschaltet werden musste. Nur: In diesem Sommer ist man an der Ferndorfstraße eher froh, wenn wenigstens 22 Grad erreicht werden. Das wird sich in der Besucherstatistik niederschlagen. Über 22.000 wie im Supersommer 2022 erwartet Ralf Limper nicht. „Das werden deutlich weniger.“ Was der Stimmung aber auch keinen Abbruch tut. Denn an einer guten Zukunft für das Bad hat der TuS, obwohl die Stadt in absehbarer Zeit eine Becken- und Techniksanierung stemmen muss, keinen Zweifel: Das haupt- und ehrenamtliche Personal ist da, ein Förderverein unterstützt, und außer Strom für die Pumpe wird keine Energie verbraucht – und vielleicht lässt sich auch diese Stromrechnung noch durch Solarmodule reduzieren. „Wir haben noch viele Ideen.“ Die Stadt wird dem nicht im Wege stehen: Das Freibad werde bleiben, sagt Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis. „auf jeden Fall.“
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