Siegen-Wittgenstein. Viele ältere Menschen wollen möglichst lange Zuhause leben. Aber sie überschätzen wohl systematisch die Barrierefreiheit der eigenen Wohnung.

124 öffentlich zu diesem Zweck geförderte Altenwohnungen gibt es noch im Kreisgebiet, faktisch wahrscheinlich weniger, weil bei vielen die Zweckbindung inzwischen ausgelaufen ist, seit die Förderbestimmungen angepasst wurden. Mittlerweile wird von barrierearmem Wohnraum gesprochen, den auch Menschen mit Behinderung benötigen. Und auch davon gibt es wohl nicht genug, vermutet die Kreisverwaltung.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Ihr zufolge sehen alle Kommunen Siegen-Wittgensteins Handlungsbedarf, um die Versorgungslücke bei preisgünstigen Wohnungen nicht nur für Seniorinnen und Senioren zu schließen, heißt es in der Beantwortung einer Anfrage zum Kreis-Sozialausschuss der LKR-Fraktion. Auch ein Problem dabei: Es gibt keinen systematischen Überblick, weder über alte Menschen, die eine Wohnung suchen, noch über das Angebot.

Bis 2040 ist jeder vierte Mensch in Siegen Wittgenstein älter als 65 Jahre

Aktuellen Statistiken zufolge werden im Jahr 2040 rund 72.200 Menschen in Siegen-Wittgenstein älter als 65 Jahre sein (jeder Vierte), 23.200 älter als 80. „Allein demografisch bedingt ist damit von einem deutlich steigenden Bedarf nach barrierefreiem und damit altersgerechten Wohnraum auszugehen“ heißt es in der Antwort auf die Anfrage weiter – schon deshalb, weil offenbar ein Großteil der Senioren von heute irrtümlicherweise davon ausgeht, dass die eigene Wohnung ausreichend barrierefrei ist. Was demnach nicht stimmt: Bei der Seniorenbefragung 2021 gaben 83 Prozent der Teilnehmenden an, in Wohneigentum zu leben – und 53 Prozent sagten zudem, dass ihr Wohnraum barrierearm sei. Bundesweit sind das aber laut offiziellen Zahlen nur 1,5 Prozent aller Wohnungen. Das werde also offensichtlich „systematisch überschätzt“. Wenn die Anforderungen an wirklich barrierearmen Wohnraum mit fortschreitendem Alter oder einer Verschlechterung des Gesundheitszustands dringender werden, dürfte dieser Bedarf nicht nur durch den demografischen Wandel steigen, sondern auch durch diese Fehleinschätzung, prognostiziert der Kreis.

+++Täglich wissen, was in Siegen und dem Siegerland passiert: Hier kostenlos für den Newsletter anmelden!+++

Altersgerechte Wohnungen sind vor allem ebenerdig oder per Aufzug erreichbar und verfügen über Hilfs-Ausstattung und ausreichend Bewegungsflächen, beispielsweise bei den Türen – um sich mit Rollstuhl oder Rollator ungehindert bewegen zu können. Um das eigene Zuhause so anzupassen, dass Seniorinnen und Senioren selbstbestimmt ohne fremde Hilfe darin leben können, gibt es Fördermittel, unter anderem berät dazu der Verein Wohnberatung Siegen-Wittgenstein. Denn der Wunsch, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu leben, besteht unverändert. Weiterhin gibt es im Kreisgebiet Wohnanlagen mit Service-Angeboten sowie „Pflege-WGs“.

KSG Siegen: „Altengerechter Wohnungsbestand steigt stetig mit jedem Neubau“

Die Kreiswohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft (KSG) bietet bei insgesamt 1567 Wohnungen 224 altengerechte Einheiten an (21 Prozent). Ein Großteil des Bestands wurde demnach vor dem Jahr 2000 errichtet – damaliger Standard waren Halbgeschosse und nicht-barrierearme Grundrisse, etwa mit kleinen Bädern. Die Wohnungen entsprechend umzubauen sei daher kaum zufriedenstellend möglich. Bei Neubauten sehe das anders aus, in den vergangenen Jahren habe die KSG 119 barrierearme Gebäude errichtet: „Der altengerechte Wohnungsbestand steigt stetig mit jedem Neubau.“

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++

Bereits Ende 2019 hatte die Kreisverwaltung eine Wohnungsmarktanalyse vorgelegt. Sie empfiehlt „Quartierspflegekerne“ – das sind Wohngebäude und -komplexe innerhalb bestehender Nachbarschaften oder in Neubaugebieten, die so errichtet sind, dass Hilfs- und Pflegebedürftige dort wohnen können, als Alternative etwa zu Altenheimen. Ein ambulanter Pflegedienst als „Servicestützpunkt“ soll integriert sein. Der Kreis weist allerdings darauf hin, dass das Konzept eher in zentralen Lagen von Siegen oder Kreuztal umsetzbar ist als in ländlichen Gebieten.