Hohenroth. Mit der Miste und zwei Gärten fing es an: In 18 Jahren hat der Kinderarzt Dr. Frieder Kötz auf Hohenroth rund 1000 verschiedene Bäume gepflanzt.
Dr. Frieder Kötz hat zwei Aufgesetzte mitgebracht: einen aus der Kornelikirsche, den etwas süßeren aus der Krieche. Krieche? „Wildpflaume“, übersetzt der Kinderarzt, der im Ruhestand zur Dendrologie, der Gehölzkunde, übergewechselt ist. Einfacher gesagt: Er ist der Mann, der in den letzten 18 Jahren mehr Baumsorten und Baumarten ins Waldland Hohenroth gebracht hat, als es überhaupt in ganz Deutschland gibt. Von den bestimmt über 1000 Bäumen, die er rund um das Forsthaus und an den Wegen entlang des Wildgehege gepflanzt hat, gedeihen und wachsen heute genau 663.
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Das weiß Frieder Kötz, der mindestens einen Tag in der Woche auf Hohenroth verbringt, ziemlich genau. In mittlerweile 20 Ordnern ist das Leben jedes Baums dokumentiert: wo er herkommt, wann er gepflanzt wurde, wie er blüht, ob er Früchte trägt, ob er gegen Schädlinge zu kämpfen hat. Wie er so viele Bäume im Blick behält? „Manche sehe ich das ganze Jahr nicht“, sagt er, manche aber dann doch öfter: „Je nach dem, was sie für Arbeit und für Sorgen machen.“ Als er die Wildkirschen voriges Jahr umpflanzen musste, ist er jede Woche zwei Mal zum Gießen gekommen. „Andere, die friedlich und ruhig wachsen, sehe ich nicht so oft.“ Manchmal, erzählt er, nimmt er sich auch mal ein bis zwei Stunden, um einfach nur seine Bäume anzuschauen. „Wenn nicht so viel zu tun ist.“ Aber das kommt selten vor.
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Wie der Arzt auf die Bäume kam
Man ist schnell mittendrin im Gespräch mit Frieder Kötz. Die Carolinische Hemlocktanne, der ein langsames Wachstum zugeschrieben wird, überragt ihn inzwischen gut um das Vierfache. Sie wächst auf der ehemaligen „Miste“ des Forsthauses, das bis 1999 tatsächlich Revierförsterei war und ab 2002 zum Waldinformationszentrum umgebaut und erweitert wurde, das heute von Regionalforstamt und Waldland-Verein betrieben wird. „Damit bin ich eingestiegen“, erinnert Frieder Kötz. Die Miste musste bepflanzt werden, die im Laufe der Jahre vernachlässigten beiden Gärten des Forsthauses konnten eine Neugestaltung vertragen.
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Frieder Kötz, der damals gerade Rentner wurde, hat als Kinderarzt praktiziert. Aber Gärten, sagt der heute 82-Jährige, hätten ihn schon zeitlebens interessiert. „Als Schüler wollte ich Gartenarchitekt werden.“ Schon in den 1940er Jahren hat er einen ersten Garten angelegt, weitere folgten, auch der eigene in Eiserfeld, den er inzwischen zugunsten eine Terrasse in Kaan aufgegeben hat. Er sammelt Sämlinge, zieht Stecklinge, kennt Baumschulen – und hat ein offenes Auge: „Ich habe vier Gehölze entdeckt, die noch nicht bekannt waren.“ Den Apfel hat er „Alter Fritz“ genannt, ein Weißdorn und eine Pflaume sind dazu gekommen, und ein panaschierter Ahorn – „panaschiert“, weil er grün-weiße Blätter hat. Der Baum steht neben der Bäreneiche in Oberholzklau, an der der inzwischen verstorbene früherer Forstamtsleiter Alfred Becker geforscht hat. „Der Ahorn kriegt den Namen Alfred Becker.“
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Was auf Hohenroth alles wächst
Kurz und gut: Frieder Kötz war längst voll im Thema, als er in Hohenroth einstieg. „Ich hatte Interesse am Gestalten und am Ehrenamt.“ So wie Diethard Altrogge, der damals noch das Regionalforstamt leitete und nun als Pensionär Hohenroth im Waldland-Vorstand verbunden bleibt. Die mittlerweile 310 verschiedenen Baumarten auf Hohenroth (die dann noch in verschiedenen Sorten erscheinen) seien „das Sieben- bis Achtfache von dem, was man in Deutschland findet“, sagt Diethard Altrogge, „eine Baumartenfülle, nach der man lange suchen muss.“
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Die Eiche, zum Beispiel: Eigentlich gibt es nur noch Stiel- und Traubeneichen in Deutschland. Frieder Kötz hat insgesamt 197 Eichenarten und -sorten ins Waldland geholt, von denen heute noch 110 leben und gedeihen, darunter eine Ivenack-Eiche, Abkömmling der mit über 1000 Jahre wohl ältesten Eichen Deutschlands, die in einem Park an der Mecklenburgischen Seenplatte stehen. Zu der Sammlung von Eichen gesellen sich 174 Wildobstbäume, von denen manche gut für Liköre und Marmelade sind: Zierapfel, Eberesche, Himbeere, Waldbeere. Die Kirschpflaume, die gern mit der Mirabelle verwechselt wird. Die Apfelbeere, die als „Aronia“ Karriere macht – „ich habe jetzt auch eine im Garten stehen“, sagt Diethard Altrogge. Und dann die Hybriden, Kreuzungen von Mispel und Weißdorn oder von Mehlbeere und Zwergmispel. Wobei deren Früchte zwar Vitamine haben, aber ein bisschen herb schmecken. „Man mischt sie mit Äpfeln und Birnen“, erklärt Frieder Kötz, „ein hoch spanendes Gebiet.“ In seinen Ordnern haben darüber hinaus aber auch noch 95 Sorbus (der lateinische Name für die Vogelbeere) und 284 „weitere Gehölze“, unter ihnen der Ahorn.
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Aus der ursprünglichen Idee, dem Waldland einmal im Jahr zum Vereinsfest einen Baum zu schenken, ist eindeutig mehr geworden. Für jeden Baum lässt Frieder Kötz eine grüne Tafel weiß beschriften, mit den lateinischen und dem deutschen Namen des Baums, der Artenbezeichnung und der Herkunft. Mehr erfahren die Gäste von Hohenroth nicht über das Projekt, das für Diethard Altrogge auch aktuelle Bedeutung hat: „Mit welchen Baumarten gehen wir die kommenden Jahrzehnte an?“ Bei der Frage, wie die durch Borkenkäfer und Dürre kahl gefallenen Flächen wiederbewaldet werden, könne die Arbeit von Frieder Kötz „eine Riesen-Entscheidungshilfe“ werden: „Wir haben hier fast 20 Jahre Erfahrung mit den verschiedensten Baumarten.“
Viele Arten, die auf Hohenroth angehen, kommen aus dem Kaukasus. Dort sind die Winter kalt und die Sommer heiß, stellt Frieder Kötz fest: „Ein Klima. das wir auch hier erwarten können.“ Seine Lieblingseiche sei inzwischen die „nördliche Nadeleiche“: Sie treibt rot aus, wir grün und färbt sich im Herbst intensiv rot. „Das könnte ein idealer Baum für diese Gegend sein.“ Von den spanischen Eichen dagegen habe er vier Sorten ausprobiert: „Die sind alle eingegangen.“
Warum man an die Zukunft denkt
Forstleute denken in Generationen: Ein Baum lebt lange und wird groß – dazu braucht er Platz. „Es wird zu eng gepflanzt“, gibt Frieder Kötz zu. Was für die Möbel- und Sägewerke kein Problem ist, die mit gerade gewachsenen, auch jüngeren Stämmen gut arbeiten kann. In Hohenroth hat er Ebeneschen zwischen die Eichen gepflanzt, „die leben nicht so lange“. Höchstens hundert Jahre, dann haben die Eichen wieder Platz. Diethard Altrogge hat jetzt, wo er mit dem Wald keinen Erlös mehr erwirtschaften muss. gar nichts gegen den Mut zur freien Fläche: „Vollkommenheit erlangt nur der Baum, der einzeln steht.“
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So philosophiert man sich den Weg entlang, heraus durch den ehemaligen Biergarten der Försterfamilie, wo die alte Rosskastanie die Insekten fernhält, Richtung Wildgehege. Den Geräteschuppen, wo alles Säge bis zum Zweizack, von der Baumschere bis zu Leiter, Gießkanne und Schubkarre gelagert ist, hat Frieder Kötz gerade auffüllen können: Mit 1000 Euro dotiert war die Anerkennung für ehrenamtliches Engagement, die ihm der Kreis Siegen-Wittgenstein zuerkannt hat.
Ja, sagt er, das wäre schon nicht schlecht, wenn sich ein Nachfolger für das Baum-Projekt interessierten würde. „Es macht sehr viel Spaß.“ Und wer kennt schon die Gute Graue, die Josephine von Mechelen? Oder dem Schönen von Herrnhut? Birnen und Äpfel, die große Namen tragen. Und doch einfach nur wachsen. Wenn man sie gießt, beschneidet, bindet… Und wenn man die Wühlmäuse von ihnen fernhält.
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