Wilnsdorf. Spurensuche 16 Meter unter der Erde: In Wilnsdorf befindet sich ein Relikt des Kalten Kriegs. 67 Menschen hätten hier 28 Tage überleben können.

Die Gemeinde Wilnsdorf hat einen Atomschutzbunker gekauft, ein Relikt des Kalten Krieges, tief unter der Erde, die Zugänge gut getarnt. Die Eingänge sind inzwischen fest verschlossenen. Der Siegener Tobias Colin, Experte für solche sogenannten „Lost Places“, untersucht solche vergessenen Anlagen und veröffentlicht Videos davon auf Youtube (Tobico Adventures). Er konnte die Anlage besichtigen, die nun wieder fest zugeschweißt sind: Reinkommen ist unmöglich.

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Im Grunde ist der Bunker, Typ GSVBw, ein riesiger Betonkasten, eingegraben in 16 Metern Tiefe: knapp 50 Meter lang, knapp 30 Meter breit, mit drei Meter dicken Außenwänden. Eine gut versteckte Treppe, gesichert mit einem schweren Stahlschott, führt in den Untergrund. Hinter gasdichten Druckwellensicherungstüren, Schleusen und Dekontaminationsanlagen ist es konstant kühl. Außer ein paar toten Tieren, die irgendwie hineingelangt sind, ist es überraschend sauber und ordentlich: Das Orientierungssystem glimmt grün im Licht der Taschenlampen, die schweren Stahltüren, teilweise dick wie ein Mensch, gleiten sanft in immer noch gut geschmierten Scharnieren.

Siegener Youtuber „Tobico Adventures“ erforscht Lost Places wie diesen Bunker

„GSVBw“ steht für „Grundnetzschalt- und Vermittlungsstellen der Bundeswehr“, erklärt Tobias Colin, der früher Pionier beim Heer war – also eine Einrichtung, um militärische Nachrichten im Gefecht weiterzuleiten. Im Falle eines Atomschlags hätte die Bunkerbesatzung – ausgelegt ist er für bis zu 67 Personen – 28 Tage lang autark, ohne Hilfe von außen, arbeiten können, um die Kommunikation des Militärs aufrecht zu erhalten, der Bunker verfügt über alle dazu notwendigen Systeme. Zur Zeit des Kalten Kriegs ging die Nato davon aus, dass Mitteleuropa zum atomaren Schlachtfeld werden könnte, sollten sich die hochgerüsteten Armeen mit Nuklearwaffen bekämpfen, der kalte zum heißen Krieg werden. Weite Teile des Landes wären in diesem Szenario verwüstet gewesen, Menschen hätten hier aufgrund der nuklearen Folgen kaum überleben können – außer in solchen Schutzbauten. Einen direkten Treffer hätten die Menschen aber auch in 16 Metern Tiefe wohl kaum überlebt. Um dennoch kämpfen zu können, brauchte die Bundeswehr dieses Grundnetz, um die militärischen Einheiten miteinander zu verbinden.

Der unterirdische Eingang zum Bunker mit Druckwellensicherungstür und Gas-Schleuse.
Der unterirdische Eingang zum Bunker mit Druckwellensicherungstür und Gas-Schleuse. © WP | Hendrik Schulz

Der Bau eines standardisierten GSVBw kostete in den 1960er Jahren, zu „Hochzeiten“ des Konflikts, rund 8 Millionen Mark, die fernmeldetechnische Ausstattung rund 7 Millionen DM. Der Bunker war ununterbrochen in drei Schichten zu je zehn Leuten besetzt, teilweise wurden solche Anlagen auch noch über das Jahr 1990 hinaus betrieben.

Siegerländer Bergbau erfordert Besonderheit beim Atomschutzbunker in Wilnsdorf

Das Besondere an dem Wilnsdorfer Bunker, erklärt Tobias Colin, war der Siegerländer Bergbau: Auch hier führen uralte, tief in den Berg gegrabene Stollen her – einer ziemlich genau unter dem Atomschutzbunker. Der hatte eine unabhängige eigene Wasserversorgung über einen Brunnen, aus dem 9 Liter pro Sekunde gefördert werden konnten (8000 Liter Wasservorrat wurden zudem permanent vorgehalten). Dieser Brunnen führte in den Altbergbau unter dem Bunker und ist inzwischen verplombt. Wäre er nicht mit Beton ausgegossen, könnte man theoretisch von unten in den metertiefen Schutzbau kriechen.

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Die künstliche Belüftung übernahm eine Klimaanlage, die pro Stunde etwa 10.000 Kubikmeter Luft erneuerte. Im Ernstfall hätten spezielle ABC- und Sandfilter die Luftreinigung übernommen. Mehrere armdicke Kabel und gewaltige Sicherungen zeigen, wo der Bunker ans Stromnetz angeschlossen war. Inzwischen sind sämtliche Verbindungen abgestellt. Wäre der Strom ausgefallen, hätten große installierte Batterien den Bunker für ungefähr acht Stunden mit Energie versorgen können. Außerdem gab es einen Stromgenerator mit einem 8-Zylinder-Dieselmotor und 168 PS und eine Kühlmaschine – der Lärm in den engen Räumen und Gängen muss enorm gewesen sein. 27.000 Liter Diesel und 1000 Liter Öl wurden permanent vorgehalten, genauso die Verpflegung für die Besatzung, die laufend erneuert werden musste.