Siegen. „Der Bass muss klatschen“: Aytekin Bayraktar steht werktags auf dem Hähnchen, am Wochenende ist er Chef im kleinsten Club Siegens: Dem Club Petit.
Nach einer langen, anstrengenden Woche auf dem Hähnchenwagen geht Aytekin Bayraktar am Wochenende feiern. Beruflich. Ihm gehört der „Club Petit“ und der macht seinem Namen alle Ehre: Er ist winzig, jedenfalls im Vergleich mit anderen Nachtclubs. Und mit Großraumdiscos sowieso: 120 Leute und der Club ist rappelvoll – und äußerst beliebt beim Publikum. Ein echter Geheimtipp der Siegener Nachtclubszene: Er macht erst viel später auf, dafür wird meist noch gefeiert, wenn die Sonne wieder aufgeht. Bis der Friseur nebenan öffnet.
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2016 übernahm Aytekin Bayraktar den Club, zusammen mit seinem Cousin. „Wir sind Siegener Jungs, wir wollten eine Kneipe machen“, sagt er. Der 47-Jährige ist ein grundentspannter Typ, immer gut gelaunt, immer freundlich. Seinerzeit, erinnert er sich, war das „Heaven“ in dem kleinen Gebäude an der Frankfurter Straße, neben dem Löhrtor-Stadtbad, schon lange zu – das war die berüchtigte Kneipe der Siegener „Hell’s Angels“. Mehrere Versuche, hier Lokale aufzubauen, waren auch schon gescheitert. Rocker, Drogen, Schlägereien: Der schlechte Ruf ging nicht weg.
Sicherheit geht vor im Club Petit Siegen: Ohne gute Tür geht gar nichts
Das änderte Bayraktar, gründlich. Er setzte voll auf Sicherheit. „Ohne eine gute Tür mache ich nicht auf“, schwor er sich, „Sicherheit geht vor.“ In aller Konsequenz: Wer im Club Petit eine Frau anmacht, fliegt raus. Höflich, aber unnachgiebig. Die Türsteher begleiten Frauen auch zu ihren Autos, wenn sie das möchten. „Das hat sich rumgesprochen“, sagt der Vater dreier Kinder. „Der Laden ist immer brechend voll.“ Andersherum kommt auch nicht jeder rein. „Eine gute Tür hat ein gutes Gespür, wer Stress macht. Die Leute sollen glücklich sein, sich wohlfühlen.“
Das Team auch. Bayraktar hat festes Personal für Tür und Theke, zahlt guten Stundenlohn, „ich gehe zum Jahresende auf 15 Euro. Du sollst mit einem Grinsen zur Arbeit kommen und grinsen, wenn Du gehst.“ Die Gäste kennen seine Leute mit Namen, so mag er das. Er hat gute DJs, die regelmäßig auflegen – die zuhause keine laute Mucke machen können, wie er sagt, und die sich freuen, wenn er sie an die Anlage im Club Petit lässt.
Aytekins Hähnchen haben Bayraktar bekannt gemacht in Siegen
Bayraktars Hauptjob ist der Hähnchenwagen – „Aytekins Hähnchen“. Jeden Tag steht er woanders, denstags in Gerlingen, mittwochs an der Kirche in Geisweid, freitags am neuen Rewe ein Stück weiter, donnerstags und samstags bei Kaufland an der Hagener Straße. Er liebt diesen Job, „das hat sich rumgesprochen, ich bin bekannt wie ein bunter Hund“. Gerade in der Corona-Zeit, als Restaurants schließen mussten. „Bei mir war jeden Tag Ausnahmezustand“, sagt er lachend. Er war der erste, sagt Bayraktar, der den Hähnchenschenkel im Brötchen anbot, ohne Knochen und ohne Sauerei beim Essen. Kam super an. Nächstes Jahr grill er die Hähnchen auf Holzkohle, „da ist kein Gramm Fett mehr in der Haut“, schwärmt Bayraktar. Dazu das Raucharoma – der neue Wagen ist bald fertig, er kanns kaum erwarten.
Aytekin Bayraktar liebt auch das Nachtleben, er liebt seinen Club, wenn die Menschen Spaß haben. Sein Cousin stieg irgendwann aus, er machte allein weiter. Das frisst Zeit, „ich brauche auch mal Schlaf. Irgendwann ist der Akku leer. Und die Kinder sollen auch was vom Papa haben.“ Er ist nicht mehr immer bis zum Schluss da. Was meistens auffällt: „Die Leute fragen dann nach mir.“
Rücksicht auf Nachbarn des Club Petit: „Der Bass klatscht bis zur Nikolaikirche“
Auch für den Club war Corona hart. „Ich habe 7000 Euro ins Waschbecken geschüttet.“ Als er wieder durfte, öffnete er einen Samstag, „ganz vorsichtig“, mit Luca-App, Testpflicht und DRK-Bus vor der Tür. „Es lief ein bisschen schleppend an“, sagt er. Stammgäste von früher waren älter geworden, hatten sich anders orientiert. Aber bald kamen viele neue Gesichter. „Man muss nicht nach Köln fahren für einen Club mit gutem Techno, Deep House, Goa“, sagt Bayraktar. Die Preise seien günstig, der Eintritt wenn überhaupt höchstens 10 Euro, irgendwann kommt man sowieso umsonst rein, wenn die Tür einen lässt. „Ich bin nicht aufs Portemonnaie fixiert.“ Er will, dass die Leute wiederkommen. Wenn jemand schon 80 Euro ausgegeben hat – er habe sowas im Blick –, „dann gebe ich einen aus. Jetzt spendet der Club Petit Dir mal was.“
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Samstags geht immer was, nachts in Siegen, aber an ein oder zwei Freitagabenden ist tote Hose. Kein Mensch weiß warum, sagt Aytekin Bayraktar. Dann macht auch der Club Petit mal früher zu. Dafür erst ab 23 Uhr auf: Richtig was los ist meistens dann, wenn die anderen Läden schließen, „wir machen dann noch bis 7 Uhr weiter“, sagt er. Dann bekommen alle, die noch da sind, ein Getränk ausgegeben, dann ist Feierabend, damit der Friseur nebenan arbeiten kann. Dass die Nachbarn etwas vom Club mitbekommen ist unvermeidlich, „wenn man die Tür aufmacht, klatscht der Bass bis zur Nikolaikirche“, der Chef bemüht sich um ein gutes Verhältnis. „Man muss auf die anderen achten, die wollen auch ausschlafen.“ Das klappt aber ganz gut, sagt er, „man kann doch vernünftig miteinander reden.“ Damit es keinen Ärger gibt, sammeln Bayraktar und seine Leute morgens immer noch den Müll ein. Alle sollen gut drauf sein. Auch die, die nicht feiern.