Siegen. Paula und Justin besuchen abends drei Geschwister in Freudenberg – die Kinder aus Syrien müssen in Deutsch noch besser werden. Sie schaffen das.
Nach einer Stunde hat Abdullah mit Hilfe der Studentin Paula Hombach seine Mathe-Hausaufgaben fertiggestellt. 20 Uhr ist es inzwischen. Jetzt möchten sie den Abend zu Hause bei Abdullah mit einem Diktat ausklingen lassen. Die falsch geschriebenen Wörter werden natürlich korrigiert und gelernt – so kann der angehende Fünftklässler sein Sprachdefizit schnell verbessern. Währenddessen arbeiten seine Geschwister Ali und Nour an anderen Aufgaben. Nachhilfe – aber etwas anders.
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Bildungs- und Teilhabepaket macht Unterstützung möglich
Besonders in der Schule ist es wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen in ihren Problemfeldern Nachhilfe bekommen können. Für viele Familien ist es aber finanziell nicht machbar, die Kosten für die Lernförderung zu tragen. Das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes ermöglicht es den drei syrischen Kindern Abdullah, Ali und Nour aus Freudenberg, von Paula Hombach bei den Schulaufgaben unterstützt zu werden – ohne dass sie dafür bezahlen müssen. Sie wechselt sich mit Justin Silaghi ab. Abdullah kommt nach den Ferien in die 5, Ali in die 8, Nour in die 9. Klasse.
Fakten
5000 anspruchsberechtigte Kinder zählt das Jobcenter Siegen-Wittgenstein im letzten Jahr. Diese haben alle automatisch eine Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf erhalten, da diese Leistung nicht beantragt werden muss.
16.000 Leistungen haben diese 5000 Kinder, inklusive dem persönlichen Schulbedarf, erhalten.
Jedes dritte Kind hat im Schnitt mehr als drei Leistungen erhalten, verzeichnet das Jobcenter Siegen-Wittgenstein.
1.800 Unterstützungsleistungen zur Mittagsverpflegung wurden im vergangenen Jahr ausgezahlt.
Familien mit Migrationshintergrund haben höheren Bedarf an Nachhilfe, um sprachlicher Defizite auszugleichen, beobachtet Marc Limper vom Kreis Siegen-Wittgenstein.
Direkt beim ersten Treffen im November 2019 hat sich Paula Hombach, damals noch Schülerin, „gut mit den Kindern verstanden“, wie sie im Rückblick erzählt. Die Familie lebt zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange in Deutschland, wodurch „Konversationen am Anfang relativ schwierig gewesen sind“, berichtet die Studentin. Das Vertrauensverhältnis zu den erst schüchternen Kindern habe sich schnell entwickelt. Mittlerweile sage Nour, dass Paula für sie „wie eine Schwester ist“.
Auch Nachhilfelehrer brauchen Zeugnisse
Aufmerksam auf den Job wurde Paula über ihre Tante, die Grundschullehrerin in Freudenberg ist. Sie hatte Kontakt zu Abdullah, dem Jüngsten der drei Geschwister. Für die Bewerbung musste Paula Hombach den Verantwortlichen vom Kreis Siegen-Wittgenstein eine Bescheinigung von ihren Deutsch- und Mathelehrerinnen schicken, in denen bestätigt wird, dass sie fähig ist, die Kinder zu unterrichten. Im Sommer 2021 stellte sich dann auch, nach Einreichung seiner Studienbescheinigung, der Freund von Paula Hombach, Justin Silaghi, der Familie vor.
Die beiden unterrichten die Kinder jeweils einmal in der Woche für bis zu anderthalb Stunden. Im Zentrum der Arbeit stehen dabei die Hausaufgaben in Deutsch und Mathe. Allerdings ist es oft „schwierig, sich darauf vorzubereiten“, da alle drei Kinder natürlich unterschiedliche Hausaufgaben bekommen, sagt Justin Silaghi. „Wir bekommen das aber alles unter einen Hut, und kümmern uns um jedes Kind gleich viel“, erklärt der Student.
Zum Lernen: Alte Lesebücher und Zeitungsartikel vom Speicher
Sind die Hausaufgaben fertig, arbeiten die Studierenden mit den Kindern an Zusatzaufgaben weiter. Zu Beginn, um die Deutschkenntnisse der Kinder schnell zu fördern, hat Paula „alte Lesebücher und Zeitungsartikel vom Speicher“ mitgebracht. Zudem versuchen sie das Kopfrechnen der Kinder zu stärken und mit Diktaten die Rechtschreibung zu verbessern. „Es ist sehr schön, den Fortschritt mitzuerleben“, sagt Paula Hombach.
Das Bildungs- und Teilhabepaket
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus einkommensschwachen Familien „sollen nicht aus finanziellen Gründen vom kulturellen und sozialen Leben mit Gleichaltrigen ausgeschlossen werden“, erklärt Marc Limper, zuständig für das Bildungs- und Teilhabepaket in Siegen-Wittgenstein.
Die Förderung betreffe dabei die Bereiche (Schul-)Ausflüge, Mittagsverpflegung, Lernförderung, Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Die Schülerbeförderungskosten entfallen in Siegen-Wittgenstein aufgrund des Schülertickets.
Häufig nehme eine Familie mehrere Unterstützungsangebote in Anspruch, sagt Marc Limper. Jeder Haushalt, der die Voraussetzungen erfüllt (anspruchsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch II und XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz oder mit Anspruch auf Kinderzuschlag oder Wohngeld) erhält die entsprechenden Leistungen.
Zu Zeiten des Onlineunterrichts während der Pandemie fand die Nachhilfestunde per Videocall statt. Dabei haben die Kinder ihre Aufgaben im voraus geschickt, sodass sich Paula auf die Stunde vorbereiten konnte. Die Erklärungen und Zusatzaufgaben habe sie dann auf ein Blatt geschrieben und vor die Kamera gehalten. Auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit melden sich die Kinder oft bei den Studierenden. Wenn sie ein Problem mit einer Aufgabe haben, dann schicken sie ihnen Bilder auf Whatsapp oder greifen ans Telefon.
Gegen 20.30 Uhr ist Schluss mit Lernen für diesen Abend. Abdullah, Ali und Nour verabschieden Paula wie immer: „Vielen Dank fürs Helfen.“
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