Siegen. Ein Wittgensteiner Ort, Womelsdorf, wird zum Running Gag am Oberen Schloss in Siegen: Die Springmäuse bringen das Publikum auf Betriebstemperatur

Wer einen Abend mit den Springmäusen verbringt, weiß, dass man sich nicht genüsslich zurücklehnen kann. Man wird gefordert, ist ratzfatz Stichwortgeber, Akteur und manchmal auch Regisseur. Wohin an diesem Abend im Schlosshof die Reise gehen soll, wird schnell klar: Es geht um Sommer, Urlaub und vor allem um Beziehungen.

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Schon nach einer halben Minute, die „fantastischen Vier“ hatten gerade die Bühne betreten, wissen sie, wer wo wie Urlaub gemacht hat. Und woher die Besucher kommen. Von Heuslingen bis zum Westerwald ist alles dabei und wird schlagfertig kommentiert. Matthias und Jana wohnen in Womelsdorf mit seinen 250 Einwohnern („Da haben alle dieselbe Oma“) – dieser kleine Wittgensteiner Ort sollte zum Running Gag des Abends werden. Doch das Publikum ist noch nicht auf der Betriebstemperatur, die die Springmäuse sich vorstellen. Dazu sollen, nach Geschlechtern getrennt, typische Urlaubs-Anmachsprüche chorisch gerufen werden. „Hey, du siehst interessant und gut aus“, aus den Männermündern klingt eher verschlafen. Doch „Hey Geili, haste Bock auf Schweinereien?“ der Frauenstimmen bringt selbst die alten Schlossmauern in Wallung.

Die Impro-Weltmeister haben im Siegener Schlosshof zu allem und jedem eine Idee

Die Rollen sind wunderbar verteilt: Da ist der weltgewandte Lebemann und Frauenversteher, der Clowneske in der kurzen Hose, der von der Schildkröte auf den Galapagos-Inseln bis zum Spezialisten in Sachen Gebärdensprache alles kann, die schrille Stimmungsmacherin mit ihren flotten Sprüchen und der Tastenkünstler mit seiner unnachahmlichen Art, bekannte und weniger bekannte oder auch gerade neu ausgedachte Melodien passend zum Geschehen auf der Bühne zu improvisieren. Alles nach den Wünschen des Publikums.

1983 gegründet

Das Improvisations-Theater Springmaus wurde 1983 vom kanadischen Schauspieler Bill Mockridge gegründet. Spielort war zunächst ein Keller mit winzig kleiner Bühne. 1993 erfolgte der Umzug nach Bonn-Endenich in eine umgebaute bis dahin nicht mehr genutzte Tanzschule.


Bekannte Comedians
wie Dirk Bach und Bernhard Hoëcker begannen bei der Springmaus ihre Karriere.

Das Theater hat sich zu einem Mekka der Kleinkunst entwickelt, in dem auch viel Musikalisches angeboten wird. Wie am 12. August ein Konzert der „Ringmasters“, die vor wenigen Tagen beim Siegener Sommerfestival am Oberen Schloss begeistert hatten.

Die Kombination Udo Lindenberg und Klimakanzler als Swing, die „immer besoffenen Kegelclubs“ und freilaufende Hunde als Reggae, Urlaub in Eschwege beim Festival „Open Flair“ als Horrorfilm, Heimatfilm oder Oper. Auch die Pannen und aberwitzigsten Ausreden in der Abflughalle (Dreirad vergessen, Hund hat Ticket gefressen, Unterhosen liegen noch auf dem Wohnzimmertisch): Stets haben die Impro-Weltmeister aus Bonn die passende Spiel-Idee.

Am Ende segeln Geschäftsführer und Chefärztin von Siegen-Wittgenstein in die Nordsee

Zurück nach Womelsdorf. Denn das Leben von Matthias und Jana wird zum großen Höhepunkt der Springmaus-Kunst. Da genügen ihnen ganz wenige Angaben: Beruf, Automarke, Ort des Kennenlernens, Wünsche an den Partner. Und schon wird zu den Ohrwürmern „I’m sailing“, „Highway to hell“ und „Schwarzwaldklinik“ eine Seifenoper, die man auch als „Szenen einer Beziehung“ hätte überschreiben können. Vom Kennenlernen im Internet, ihrem ersten Treffen im Aue-Park in Kassel, seiner Leidenschaft für Porsche (früher 911, heute Panamera), ihre Berufe (Geschäftsführer, Chefärztin), ihre vorsichtige Kritik am Partner („räumt Küche nicht auf“) und ihre Träume (Segeltörn auf den Weltmeeren): eine Abfolge von Szenen mit unglaublicher Komik, von der man meinen könnte, das sei alles lange einstudiert.

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Natürlich mit Happy End: Sie kaufen ein Segelboot mit getrennten Küchen, schippern von Womelsdorf aus über Eder, Fulda, Weser in die Nordsee und lassen es sich gut gehen. Großes Kino dank der sympathischen Offenheit von Matthias und Jana, die das Pech (oder auch Glück hatten), in der ersten Reihe zu sitzen, und der großartigen Improvisationskunst der Springmäuse.