Hilchenbach. Bei Kultur Pur 30 zeigen LahnVocal, Biggesang und Encantada, was wirklich gute Chöre zu bieten haben. Hier geht’s zum Text mit vielen Bildern.
Kein Platz im riesigen Zelt bleibt leer, als drei heimische Chöre, die 2019 beim WDR- Straßenfeger „Der beste Chor im Westen“ mal so richtig abgeräumt und die ersten drei Plätze ins südliche Westfalen geholt haben, im großen Zelttheater auftreten. Kein Wunder, dass ihr erster gemeinsamer Auftritt, pandemiebedingt zweimal verschoben, eines der ersten ausverkauften Konzerte der 30. Ausgabe von Kultur Pur war.
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Ein Männer-, ein Frauen- und ein gemischter Chor: Diese klassischen Gesangsformationen aus der Region verbindet viel mehr als sie trennt: Sie haben mit ihrer anspruchsvollen Programmvielfalt unzählige Meisterchortitel ersungen und sich auch bei Landes- und Bundeschorwettbewerben einen Namen gemacht. So kommt Encantada gerade vom Deutschen Chorfest in Leipzig zurück, natürlich titelgeschmückt. Alle Chöre sind erst nach 2010 gegründet, wobei Lahnvokal eine Fusion der benachbarten Wittgensteiner Männerchöre aus Rückershausen und Feudingen ist. Alle Vokalistinnen und Vokalisten singen auswendig, haben also nur eine Blickrichtung: Nach vorne zu ihrem Chorleiter, der dadurch mit jedem Einzelnen kommunizieren kann. Klassische Tugenden von Spitzenchören wie feinste Dynamik, Phrasierungen, Stimmausgleich, chorisches Atmen, Rhythmussicherheit, textliche Klarheit… müssen also in einer Rezension nicht erwähnt werden. Sie sind überreichlich vorhanden.
LahnVokal bei Kultur Pur 30: Wie ein Männerchor das Publikum begeistert
LahnVokal unter der Leitung von Michael Blume, seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten Chorleiter Deutschlands, zeigt, dass auch Männerchöre, denen viele Schwarzseher keine Zukunft mehr geben, ein Publikum begeistern können. Mit einer Mischung aus Humor, wie der Vertonung eines Wilhelm-Busch-Textes, dem alten Spiritual „Steal away“, in einem virtuosen Chorsatz mit wunderbarer Innigkeit interpretiert, dem Gute-Laune-Hit „Happy together“ und dem zeitgenössischen „Pax“ mit zunächst ungewohnt erscheinenden Harmonien, die dadurch ein Kriegsgeschehen umso anschaulicher machen.
Ein Klassiker von LahnVokal darf nicht fehlen: „Männer“, und das nicht nur wegen der lustigen Choreografie. Moderator Rolf Schmitz-Malburg: „Der Unterschied zu Herbert Grönemeyer ist: Bei LahnVokal kann ich den Text verstehen.“
Kultur Pur auf dem Giller bei Hilchenbach: Frauenchor Encantada erfreut das Publikum
Die Damen von Encantada aus dem Südsiegerland, ein spanisches Wort, das auf Deutsch „erfreut“ bedeutet, erfreuen das Publikum nicht nur. Sie lassen es staunen. Was Frontfrau Kristin Knautz und ihre knapp 25 Sängerinnen in den zehn Jahren ihres Bestehens entwickelt haben, begeistert die Besucher restlos. Singen heißt für Encantada auch Bewegung, und diese bedeutet Rhythmus.
Ob bei einem Pop-Song aus Australien, dem „Fluch gebucht“ von Maybebop-Sänger Oliver Gies mit leichten Swingmotiven und Wortspielereien, die in Kaskaden der hierzulande am häufigsten gebrauchten Flüche enden, oder Cluesos „Chicago“: Ihre Bewegungen und perkussiven Rhythmen wirken nie aufgesetzt, noch nicht einmal einstudiert, sie ergeben sich wie von selbst. Und wenn sie dann Paul Simons „Sound of Silence“ oder das klangstarke „Someone you loved“ zärtlich und leicht nahezu hauchen, schließt man die Augen und möchte, dass die Zeit stehenbleibt.
Kultur Pur: Biggesang startet mit einem der bekanntesten Filmsongs in den Abend
Seine 45 Biggesang-Vokalisten bringt Chorleiter Volker Arns ,mit „What a Feeling“, dem Filmmusik-Hit aus „Flashdance“ auf Betriebstemperatur. Um mit dem melancholisch-lyrischen „Du schläfst“ dann zu zeigen, welche unterschiedlichsten Klang- und Rhythmusfacetten sein Chor übergangslos zu meistern imstande ist. Die Damen und Herren aus dem Kreis Olpe mit Siegerländer Verstärkung sind eben „Der beste Chor im Westen“.
Unschlagbar großartig und für viele im sachverständigen Publikum der gesangliche Höhepunkt des Abends jedoch ist „Kein schöner Land“. Beginnend mit afrikanischen Stimmen und Rhythmen und endend, wie man dieses 1840 erstmals veröffentlichte romantische Volkslied kennt, das durch die Bearbeitung von Oliver Gies noch eine erweiterte Bedeutung erhält: Dass unser Planet insgesamt es verdient, geschützt zu werden. Da scheinen sich Töne und Klänge vom zartesten Pianissimo bis zum kraftvollsten Fortissimo auch in die höchsten Spitzen des weißen Giller-Zelts zu schweben.
Chorkonzert bei Kultur Pur 30: Finale mit allen drei Chören und einer Pophymne
Es kommt nicht häufig vor, dass nach einem langen Konzertabend ohne Pause eine Zugabe alles noch einmal auf den Punkt bringt: „Music was my first love“, jene hymnische Komposition des Klangzauberers John Miles aus dem Jahr 1976: Alle 100 Sängerinnen und Sänger und die drei Chorleiter zelebrieren dieses für ein riesiges Orchester konzipierte Liebeslied an die Musik rein A-cappella. Das wird noch lange nachhallen.
Die Moderatoren des Abends waren Anne Willmes vom WDR und Rolf Schmitz-Malburg, der „Die Besten im Westen“-Juror und auch Leiter des WDR Rundfunkchors, die mit eingestreuten Interviews den drei Dirigenten so manches Chorgeheimnis und Landrat Andreas Müller die Aussage entlockten: „Ich kann mir vorstellen, irgendwann auch wieder als Sänger und Chorleiter aktiv zu werden.“
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