Siegen. Die Angeklagte lautet auf 18-fachen Betrug: Der Beschuldigte aus Freudenberg soll seine angeblichen Kunden sogar bedroht haben.

Es ist ein eher seltsames Verfahren, das da am Mittwoch vor dem Siegener Schöffengericht begonnen hat. Dem Angeklagten B., einem 47-jährigen Freudenberger, werden 18 Fälle des gewerbsmäßigen Betruges vorgeworfen, die er allesamt zurückweist. Ein wichtiger Zeuge ist nicht gekommen und beschuldigt den Mann, ihn „schwer bedroht“ zu haben. Dazu kommen erstaunliche Lücken bei den Ermittlungen, die weitere Nachfragen erforderlich machen. Damit ist sogar fraglich, ob der ohnehin angesetzte Fortsetzungstermin am 1. Juni ausreichen wird.

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Der Freudenberger soll einen Gesamtschaden von 84.222,25 Euro verursacht haben. Er war längere Zeit Mitarbeiter im Schwerpunkt Verkauf und Vertrieb für ein Freudenberger Unternehmen, das unter anderem Elektronikgeräte und Büroeinrichtungen anbietet. 2015 soll er in 15 der angeklagten Fälle Apple-Notebooks verkauft und über zwei Partnerbanken finanziert haben, deren Käufer gar nicht existierten. Die Verträge liefen auf fiktive Personen oder falsche Adressen und Personen, die nichts vom Vertragsabschluss wussten.

Auf einmal Post von der Inkassofirma

Am Mittwoch sind etwa Zeugen aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie Lage angereist, die nie einen Vertrag mit der Freudenberger Firma gemacht hatten, das erste Mal überhaupt von dem Unternehmen hören. Sie bekamen damals plötzlich Post von Inkassounternehmen, wurden mit ihnen fremden Forderungen konfrontiert.

Einer der Männer ging zur Sparkasse, um eine Folgefinanzierung seines Hausbaus auf den Weg zu bringen, und erfuhr überraschend von einem negativen Schufa-Eintrag. „Ich habe fünf Monate Existenzangst gehabt“, sagt der Zeuge. Den Angeklagten kennen sie alle nicht.

Dieser beharrt darauf, damals vor allem ein Interesse gehabt zu haben: „Ich wollte verkaufen.“ Alle betreffenden Kunden seien bei ihm im Laden gewesen, hätten ihm Ausweis und Bankkarte vorgelegt. Dies sei aus Sicht der Banken und auch für ihn ausreichend gewesen. Die 15 Personen hätten dann auch ihr Notebook direkt mitbekommen. Unzählige andere Geschäfte seien normal gelaufen. Versuche, den angeblich Geschädigten zu helfen, seien ohne Antwort geblieben.

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„Südländische Typen“ beobachten Haus

Amtsrichter Matthias Witte findet es komisch, dass mancher Kunde an zwei Tagen Geräte gekauft und über verschiedene Banken finanziert hätte. Das laufe doch in den großen Märkten genauso, sei für ihn „nicht anrüchig“, wehrt B. ab und versichert, alle Geschäfte und Vorgänge seien in den Unterlagen nachgewiesen, die bei der Staatsanwaltschaft lägen. Einen einzigen dieser 15 Kunden will er persönlich gekannt haben, sei mit diesem damals sogar befreundet gewesen. Und das ist genau jener Mann, der ihm jetzt vorwirft, ihn zu bedrohen, sein Haus durch „drei südländische Typen“ beobachten und ihn damit unter Druck setzen zu lassen.

Nebenbei hat der Zeuge, der in Bayern lebt, zunächst die Rechtmäßigkeit der Ladung an sich in Frage gestellt und auf eine Antwort des Vorsitzenden entgegnet, als alleinerziehender Vater einer schwer traumatisierten zwölfjährigen Tochter nicht einfach mal so zwei Tage von daheim wegbleiben zu können. Unter Umständen komme da nur eine kommissarische Vernehmung durch Kollegen vor Ort in Betracht, hat Amtsrichter Witte überlegt, will dies umgehend klären.

Anderes Ausweisfoto, gleiche Ausweisnummer

Wenig überraschend schütteln Angeklagter und Verteidiger ob dieses Vorbringens nur die Köpfe. Noch mehr tun sie dies beim Vorwurf gegen B., über „ebay-Kleinanzeigen“ im Jahr 2016 ein Mischpult für 700 Euro angeboten, verkauft und nie ausgeliefert zu haben. Der Käufer hat damals eine Anzahlung über die Hälfte geleistet und das Geld nie zurückbekommen zu haben. Er hatte vom Verkäufer eine Ausweiskopie bekommen, auf der er den Angeklagten nicht erkennt. Dieser ist aber wegen einer anderen Betrugssache mit dem gleichen Ausweis beziehungsweise dessen Nummer, in Verdacht geraten. Das Verfahren wurde eingestellt, das Ausweisfoto habe keinerlei Ähnlichkeit mit ihm, betont der Mann aus Freudenberg und zeigt sich empört über alles, was ihm da so angehängt werde. Sein Strafregister ist ansonsten tatsächlich leer.

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Schließlich gibt es noch zwei Anklagen aus dem gleichen Umfeld wie bei den Notebooks, allerdings in größerem Ausmaß. Hier geht es um zwei Verkäufe hochwertiger Büromöbel an zwei Unternehmen über eine Leasingfirma. Die vertraute dem Partner aus Freudenberg, prüfte bei der Bonität beider Unternehmen nur im normalen Rahmen und musste jeweils nach gut einem halben Jahr feststellen, dass die vereinbarten Raten nicht mehr abgebucht werden konnten. Die Gesamtsumme von gut 50.000 Euro musste abgeschrieben werden.

Besteller entpuppen sich als Briefkastenfirmen

Beide Firmen stellten sich aus Sicht der Leasinggesellschaft mehr oder weniger als Briefkastenunternehmen heraus, die Möbel sind bislang unauffindbar. B. besteht allerdings darauf, dass seinerzeit sehr viele Auslieferungen solcher Möbel erfolgt seien, die Geschäftsführer beider Unternehmen seien ihm bekannt gewesen. Natürlich täten ihm die Vorgänge leid, „aber Firmen gehen nun einmal pleite“.

Auffällig bei den Ermittlungen war freilich, dass B. für eine der beiden Käuferinnen Generalvollmacht besaß. Der Geschäftsführer sei damals ein guter Freund gewesen, heute gebe es allerdings keinen Kontakt mehr.

Ob sie denn schon heute plädieren wolle, fragt der Vorsitzende in Richtung Staatsanwältin. Die hätte allerdings gern mehr über den Verbleib der Möbel gehört, ob es diese wirklich gab, ob sie im Lager des Freudenberger Unternehmens in Neuss abgeholt wurden, wie es in den Akten vermerkt wurde. Offenbar hat in dieser Richtung bislang niemand ermittelt. Für den 1. Juni soll nun auch versucht werden, die beiden Geschäftsführer als Zeugen zu bekommen.

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