Hilchenbach. In der Hilchenbacher Kirche war Raum für Trauer, Wut und Erschöpfung. Betroffene berichten.

Trauer, Wut, Erschöpfung und die offene Frage nach dem Warum: In einem Klagegottesdienst haben evangelische und katholische Christinnen und Christen am Freitagabend in der evangelischen Kirche in Hilchenbach der Opfer der Corona-Pandemie gedacht. Der ökumenische Gottesdienst, zu dem die beiden Evangelischen Kirchenkreise Siegen und Wittgenstein mit dem katholischen Dekanat Siegen eingeladen hatten, solle einen Raum der Klage für die Opfer der Pandemie bieten, sagte Pfarrerin Ursula Groß aus der Evangelischen Kirchengemeinde Gleidorf. „Aber auch einen Raum für uns alle, die wir von der Pandemie betroffen waren und sind.“

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„Wer sieht unser Leid, unser Elend und unsere Hilflosigkeit in der Corona-Pandemie?“, fragte die katholische Gemeindereferentin Irmtrud von Plettenberg in einem mit Trommeln begleiteten Gebet. „Wer hört unsere Schreie der Überforderung?“ Die Wittgensteiner Superintendentin Simone Conrad trug Auszüge aus dem „Ahr-Psalm“ vor, den der Trierer Priester Stephan Wahl nach der Hochwasserkatastrophe im Sommer geschrieben hat.

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Bruder und Schwester verloren

Konkret wurden die tödlichen Auswirkungen der Pandemie in zwei Interviews, die der Hilchenbacher Pfarrer Herbert Scheckel führte. Krankenschwester Tanja Pilz berichtete von ihrem Arbeitsalltag auf der Isolierstation des Kreisklinikums. Zu Wort kamen auch Christof Oerter, dessen Bruder und Schwester 2020 kurz nacheinander an Covid-19 starben, und seine Ehefrau Gaby. „Wir haben damals nicht mehr geschlafen“ berichtete Gaby Oerter. Getragen habe sie ihr Netzwerk von Familie und Freunden. „Und die Kirche war für uns da, wir sind beide gläubig.“ Trotzdem hätten sie Gott auch gefragt: „Warum tust du uns das an?“

Pfarrer Herbert Scheckel interviewte Gaby und Christof Oerter und Krankenschwester Tanja Pilz (v.l.). Foto: Jasmin Maxwell-Klein
Pfarrer Herbert Scheckel interviewte Gaby und Christof Oerter und Krankenschwester Tanja Pilz (v.l.). Foto: Jasmin Maxwell-Klein © Jasmin Maxwell-Klein | Jasmin Maxwell-Klein

Antworten darauf konnte und wollte der Siegener Superintendent Peter-Thomas Stuberg in seiner Predigt nicht liefern. „Wir bleiben ohne Erklärungen und ohne Lösungen in allem Fragen nach dem Warum“, sagte der leitende Pfarrer des Kirchenkreises. Wie die Autoren biblischer Klagepsalmen dürfe man das Untragbare vor Gott ablegen – „meine Traurigkeit, meine Wut, meine Erschöpfung, aber auch meine unbändige Lust zum Leben“, sagte Stuberg.. Das Kreuz, sei das tiefste Erniedrigungszeichen und weise zugleich auf die Auferstehung hin. „Er erlöst uns, nicht immer vom Leid“, sagte Stuberg. „Aber immer vom Tod.“

Keine schlichten Erklärungen über Gottes Plan: Der Siegener Superintendent Peter-Thomas Stuberg predigte im Corona-Klagegottesdienst
Keine schlichten Erklärungen über Gottes Plan: Der Siegener Superintendent Peter-Thomas Stuberg predigte im Corona-Klagegottesdienst © Jasmin Maxwell-Klein | Jasmin Maxwell-Klein

Am Anfang des Gottesdienstes, der musikalisch eindrucksvoll vom Chor „Carpe Sonum“ und Helga Maria Lange an der Orgel gestaltet wurde, erhielten Besucher des Gottesdienstes kleine Kieselsteine. In einer Meditation lud Thea Rabenau, Koordinatorin des Ambulanten Evangelischen Hospizdienstes Siegerland, dann dazu ein, die Kieselsteine zu Sinnbildern für Lasten und Leiden in der Pandemie werden zu lassen – und sie nach dem Gottesdienst unter zwei aufgestellten Kreuzen abzulegen.

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