Siegen. Ein 26-Jähriger steht in Siegen wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung vor Gericht. Seine Version der Geschichte klingt jedoch deutlich anders.
Eine sexuelle Nötigung soll der Angeklagte begangen haben. Er gibt auch alle ihm vorgeworfenen Handlungen zu. Bis auf eine. Dass er gegen den Willen seines Opfers gehandelt hat. Die klassische und sehr unangenehme Konstellation also, mit der sich Amtsrichter Matthias Witte und seine Schöffen befassen müssen: Aussage gegen Aussage. Dazu kommen noch ein paar andere Erschwernisse, die den Termin am Dienstag im Siegener Amtsgericht in die Länge ziehen und schließlich sogar ein Urteil verhindern. Dabei hatte es bereits im Juni eine erste Unterbrechung gegeben, und die Hoffnung, diesmal besser durchzukommen.
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Der angebliche Vorfall soll am 3. November 2018 geschehen sein. Das mutmaßliche Opfer befand sich in der Wohnung des Angeklagten M. (heute 26), wurde nach der Anklage von ihm belästigt, gegen ihren Willen – über der Kleidung – intim berührt und geküsst. Als die junge Frau vorbrachte, ihre Mutter mache sich Sorgen, durfte sie nach Aktenlage ins Nebenzimmer, um zu telefonieren. Sie verständigte allerdings die Polizei, die kurz darauf eintraf.
Siegen: Angeklagter lehnt nach eigenen Worten Hochzeit ab – dann kam die Polizei
Sie seien seit einigen Monaten ein Paar gewesen, behauptet der Angeklagte über einen Dolmetscher. M. ist Syrer, seit Herbst 2015 in Deutschland und beschreibt eine etwas komplizierte Situation. Er habe in seiner Heimat islamisches Recht studiert, ohne Abschluss. Er sei nach Deutschland gekommen, um ein besseres Leben zu finden, allerdings ohne Erfolg. Die junge Frau habe über Instagram Kontakt zu ihm und eine Beziehung gesucht, sei immer wieder zu ihm gekommen. Regelmäßig habe es auch „solche Begegnungen und Handlungen“ gegeben. Niemals jedoch mehr. Obgleich die junge Frau ihn auch mehrfach gebeten habe, endlich weiterzugehen, „miteinander wie Mann und Frau zu schlafen“.
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Am 3. November vor drei Jahren hätten sie zunächst gekuschelt. Dann habe sie ihm eröffnet, sie wolle heiraten und er solle um ihre Hand anhalten. „Sie hat in meinem Arm gelegen und wir haben diskutiert“, berichtet M. auf Nachfrage der Staatsanwältin. Er habe ihr erklärt, arm zu sein, sich eine Hochzeit und Ehe nicht leisten zu können, dafür benötige er mindestens 10.000 Euro. Darauf sei sie telefonieren gegangen, kurz darauf habe die Polizei ihn mitgenommen.
Siegen: 26-Jähriger kann sich Anzeige wegen sexueller Nötigung nicht erklären
Er sei traurig und enttäuscht, könne sich die Anzeige nicht erklären. Immer sei alles freiwillig geschehen. Bei der Polizei hätte er damals die Küsse und Berührungen bestritten, hält der Richter vor. Der junge Mann wehrt ab. Er sei verängstigt und aufgeregt gewesen. Zudem habe er noch mit einer Dolmetscherin sprechen müssen und sich vor ihr geschämt, alle Einzelheiten zu benennen. Er klingt verletzt und durchaus glaubhaft, der junge Mann. Bis der Vorsitzende einen Chatverlauf vorliest, der von Anfang Oktober 2018 bis zum Mittag des 3. November reicht, und ein völlig anderes Bild ergibt.
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Da hatten die beiden anfangs recht intensiv geschrieben, sie auch immer wieder mit Formulierungen wie „Gott erhalte Dich mir“ eine gewisse Zuneigung angedeutet. Dann aber kippt die Stimmung. Er habe ihr nichts getan und nichts falsch gemacht, versichert die junge Frau ihrem Freund. Sie möge ihn auch, aber auf andere Weise. Dennoch solle er sie in Ruhe lassen. Das Schicksal habe sie nicht für ihn bestimmt. Er drängt auf eine Hochzeit, sie will aber nicht und verweist darauf, dass ihre Familie ohnehin dagegen sei.
Amtsgericht Siegen: Mutmaßliches Opfer sagt aus, sich zwei Stunden gewehrt zu haben
Für den 3. November erklärt sie sich zu einem letzten Gespräch bereit und will höchstens für eine halbe Stunde vorbeikommen. Manchmal hätten sie bis zu fünf Stunden am Tag telefoniert oder auch gemeinsam verbracht, da sei ganz anders gesprochen worden, behauptet M., gibt allerdings zu, dass sie einige Zeit eine Beziehung zu ihrem Cousin gehabt habe. Die Zeugin sagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus, bestätigt wohl die Anklage. Dann wird fast eine Stunde unterbrochen, weil der Dolmetscher eine Etage höher noch einen weiteren Termin hat, der sich in die Länge zieht.
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Auf Nachfragen des Verteidigers wird nach Ende der Unterbrechung deutlich, dass die Zeugin vorgebracht hat, sich gute zwei Stunden gegen den Angeklagten zur Wehr gesetzt zu haben. Der Anwalt fragt die vier geladenen Polizisten, ob die Frau einen erschöpften Eindruck hinterlassen habe. Keiner hat mehr als rudimentäre Erinnerungen an den Tag vor drei Jahren. Einer weiß immerhin noch, sich über ihren Besuch bei M. gewundert zu haben. Die Aussagen vor Ort hätten ihm nicht erlaubt, sich auch nur annähernd für eine Seite zu entscheiden. Da könne er bis heute nichts sagen.
Siegen: Richter will weitere Zeugen hören
Gerade diese Beweislage führt kurz darauf zur Vertagung. Die Polizisten haben auf ihre eigene schlechte Erinnerung verwiesen, zugleich aber auf eine Kollegin und einen Praktikanten, die damals ohnehin am intensivsten mit der Sache beschäftigt gewesen sein sollen. Die Beamtin war auch geladen, allerdings die falsche, weil es zwei mit dem gleichen Nachnamen gibt. Der Richter schlägt vor, die Zeugin trotz allem zu hören. Seitens der Nebenklage wird auch der Praktikant ins Spiel gebracht, weil der sich vielleicht aufgrund der besonderen Ausbildungssituation noch besser an den Fall erinnern könnte. Beide sollen nun am 30. November ab 12.30 Uhr vernommen werden.
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