Siegen-Wittgenstein. Twittermarathon der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein: Ein ganz normaler Tag bei der Polizei. Kurioses, Amüsantes und Ernsthaftes.
Der digitale Tag der offenen Tür beginnt am Freitag, 1. Oktober, für die Polizei mit einem vermissten Auto. In Kreuztal hat ein Supermarktkunde den Notruf gewählt. „Die Kollegen schauen sich das mal an!“, schreibt die Pressestelle der Kreispolizeibehörde um 11.04 Uhr auf Social Media. Der Twittermarathon beginnt.
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Ähnliche Aktionen hatten in der Vergangenheit für großes Interesse im Netz gesorgt: Die „Wiesnwache“ der Münchner Polizei zum Beispiel, die während des Oktoberfest natürlich jede Menge Skurriles, Witziges und Absurdes zu berichten hat. „Wir hatten schon an etwas ähnlichem überlegt“, sagt Stefan Pusch, Erster Polizeihauptkommissar und Leiter der Pressestelle, als die bundesweite Aktion Gestalt annahm, war schnell klar: Siegen-Wittgenstein macht auch mit. Ein Tag mit der Polizei: Was passiert eigentlich, nachdem der Notruf 110 gewählt wurde?
Polizei Siegen-Wittgenstein berichtet live auf Twitter, Facebook, Instagram
Stefan Pusch und Pressesprecher Niklas Zankowski koordinieren die Aktion von der Wache in Weidenau aus. Das ist ihre tägliche Arbeit: Immer auf dem Laufenden sein, was gerade vor sich geht in Siegen-Wittgenstein, welche Einsätze gerade anstehen, wie sie sich entwickeln. Über eine Einsatzbearbeitungssoftware verfolgen sie in Echtzeit, wo welche Streifenwagen unterwegs ist, wie ihr Einsatzstatus ist. „Wenn die Presse anruft ist es besser, wenn wir schonmal davon gehört haben“, sagt Zankowski. Oder wenn ein Zeugenaufruf notwendig ist.
Heute sollen all diese Einsätze und Notrufe quasi in Echtzeit die Öffentlichkeit erreichen, über die Kanäle der Kreispolizeibehörde auf Facebook, Twitter und Instagram. Ein verdächtiges Fahrzeug in Hilchenbach wird kontrolliert, ein festgenommener Schläger ins Gefängnis gebracht. In Eiserfeld hat’s auf einem Parkplatz gekracht und in Allenbach ist der Bezirksdienst gerade dabei, die Grundschulkinder sicher nach Hause zu begleiten. Da ist es dann gerade mal mittag. Außerdem sind in Deuz einige schwarz-weiße Rinder ausgebüxt.
Normalerweise hat die Polizei Siegen-Wittgenstein am Wochenende abends gut zu tun
Im Minutentakt gehen diese Meldungen am Freitag ins Netz, in der Pressestelle knistert permanent das Funkgerät und wenn es kurz mal schweigt, klingelt das Telefon oder es klappern die Tastaturen. Im Zweifel alles gleichzeitig. Ein Auto wurde wegen unzulässiger technischer Veränderungen kontrolliert, das könnte was für Instagram sein – denn es gibt Bilder. Niklas Zankowski öffnet eine E-Mail, die Fotos zeigen aber nicht den VW, sondern einen Audi. Zu dem Fall haben sie noch nichts, der Pressesprecher greift zum Hörer.
Freitagsmittags ist normalerweise nicht die einsatzstärkste Zeit, am meisten hat die Polizei in der Regel am Wochenende abends zu tun, aber es ist wie es meistens ist: Entweder es passiert fast nichts oder alles gleichzeitig, doppelt und dreifach.
Zum Twittermarathon der Polizei Siegen-Wittgenstein gehört auch die „Presse-Streife“
Während Pusch und Zankowski in der Pressestelle in Weidenau die Einsätze sichten, sind Sonja Teichmann und Thomas Heß, ebenfalls Pressestelle, auf den Straßen unterwegs, als „Presse-Streife“. Die Zentrale schickt sie zu interessanten, aufsehenerregenden Einsätzen, damit sie Bilder und Fakten liefern und auch die Perspektive der Beamtinnen und Beamten darstellen. Bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden – Einsatzstichwort „VUP“ – macht man sich bei der Anfahrt schon Gedanken, was einen da erwartet, sagt Heß. Auch das ist Teil des Polizeialltags, den die Behörde an diesem Tag möglichst unverfälscht darstellen möchte.
Bisher, sagt Sonja Teichmann, war es ruhig für den „Pressestellen-Außendienst“: Die beiden haben eine Radarkontrolle begleitet, einen Unfall – und dann stand auf der Rückfahrt ein Auto auf dem Seitenstreifen der HTS. Ein Mann hatte seine Maske und seinen Schlüsselbund aufs Autodachgelegt, dort vergessen und war losgefahren. Im Rückspiegel sah er noch die Maske davonwehen, dann hörte er den Schlüssel übers Dach rutschen – und futsch. Teichmann und Heß halfen beim Suchen – erfolgreich.
Am Siegener Bahnhof wird wild geparkt – und eine 99-Jährige braucht Hilfe
Wenig später am Siegener Bahnhof. Mitten im Mittagstrubel, Schüler strömen aus den Bussen, Busse kurven um den ZOB herum; der reinste Bienenstock. Eigentlich sind sie für die Pressearbeit unterwegs, aber mitten auf der Straße hat ein junger Mann seinen BMW geparkt. Sowas von verboten. Dienst ist Dienst, Teichmann und Heß leiten alles nötige in die Wege. Da werden sie angesprochen: Frau Wied braucht ein Taxi. 99 Jahre ist sie alt – und nächste Woche wird sie 100. Dass am Siegener Bahnhof kein einziges Taxi wartet, das hat sie auch noch nicht erlebt, lange kann sie nicht mehr stehen. Ehrensache, dass Thomas Heß über die Leitstelle ein Taxi bestellt. Ein paar Minuten dauert es, man kommt ins Plaudern. Frau Wied erzählt von der Geburtstagsfeier nächste Woche, mit ihren Freunden, im Café Naschwerk. Und flugs sind die beiden Polizisten auch zur Fete eingeladen.
Viel Leerlauf bleibt nicht. Die Kühe laufen in Deuz nicht mehr auf der Straße herum, gefunden sind sie aber auch nicht, ebenso wenig wie der Halter. Kurz nach 13 Uhr kracht es mehrfach auf den Straßen, ein Anrufer meldet, dass sein Auto voller Exkremente sei. Was sich wenig später als Soße herausstellt, mit der der Nachbar das Auto beschmiert hatte. Pusch und Zankowski tippen, telefonieren, posten, Teichmann und Heß fahren kreuz und quer durch den Kreis und dokumentieren. Ein fast ganz normaler Tag bei der Polizei Siegen-Wittgenstein.
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Der Fall des vermissten Autos konnte übrigens nach wenigen Minuten schon aufgeklärt werden: Der Mann hatte vergessen, dass er zu Fuß zum Supermarkt gelaufen war.