Siegen. DRK-Kinderklinik und St. Marien-Krankenhaus Siegen wollen mit einem gemeinsamen Eltern-Kind-Zentrum auf dem Wellersberg neue Standards setzen.
Mit einem gemeinsamen Eltern-Kind-Zentrum wollen die DRK-Kinderklinik und das St. Marien-Krankenhaus die Versorgung von Mutter und Kind in der Region auf eine ganz neue Basis stellen. Ein entscheidender Punkt: Wenn das Neugeborene erkrankt, muss es in der neuen Struktur nicht mehr von der Mutter getrennt werden, weil Entbindungsstation und Neonatologie im selben Gebäude untergebracht sind. Die Vorteile einer solchen Lösung sind immens, wie die Fachleute bei der Vorstellung der Pläne am Mittwoch betonen.
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„Eltern und Kind gehören zusammen. Und dafür müssen wir die Voraussetzung schaffen“, sagt Chefarzt und Ärztlicher Direktor Markus Pingel von der DRK-Kinderklinik. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin unterstreicht, dass die negativen Folgen einer Trennung von Eltern und Kind in dieser frühen Phase – kurz nach der Geburt – in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen worden seien. Dabei gehe es sowohl um die akute medizinische Versorgung der Kinder als auch um langfristige Konsequenzen für die Familien. Letzteres betreffe unter anderem das so genannte Bonding, also den Prozess, in dem Mutter und Kind eine Bindung zu einander aufbauen – wofür sie aber zusammen sein müssen.
Siegen: Eltern-Kind-Zentrum auf dem Wellersberg eröffnet neue Möglichkeiten
Dr. Badrig Melekian, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am St. Marien-Krankenhaus, nennt Beispiele: Die Trennung erhöhe das Risiko psychischer Probleme bei der Mutter, aber auch für rein körperliche Schwierigkeiten wie Nachblutungen. Für das Kind bedeuteten eine Verlegung und Trennung ein höheres Stresslevel, außerdem sei ein längerer Transport ein potenzielles Risiko. Im Eltern-Kind-Zentrum „können Mutter und Kind zusammenbleiben – egal, wer Hilfe braucht“, sagt Badrig Melekian. Das neue Zentrum nimmt aber natürlich auch all jene Mütter auf, bei denen die Geburt reibungslos verläuft und die das Kind anschließend ohnehin standardmäßig bei sich im Zimmer haben können.
Entstehen soll das dreigeschossige Gebäude mit 4000 Quadratmetern Fläche auf dem Wellersberg. Es wird unmittelbar an das Gebäude der Kinderklinik angrenzen und deren Neonatologie – einschließlich Frühchenversorgung – und die Gynäkologie/Geburtshilfe vereinen. „Es ist die erste Krankenhauskooperation in Siegen, die mit einer echten Verlegung von Abteilungen verbunden ist“, sagt Hans-Jürgen Winkelmann, Hauptgeschäftsführer der Mariengesellschaft Siegen gGmbH. Die Gesamtkosten werden sich laut momentaner Schätzung auf 25,2 Millionen Euro belaufen. Die Träger hoffen auf 21,1 Millionen Euro Landesförderung.
Siegen: Träger hoffen auf rund 21 Millionen Euro Fördermittel für Eltern-Kind-Zentrum
Neu ist die Idee eines solchen Zentrums nicht, wie Hans-Jürgen Winkelmann in Erinnerung ruft. Schon 2017 gab es Bestrebungen in diese Richtung, die aber an der Nicht-Bewilligung von Fördermitteln scheiterten. Derzeit aber seien die Voraussetzungen im Zusammenhang mit der 2018 von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) eingeführten Einzelförderung andere. In diesem Programm gibt es jährlich wechselnde Schwerpunkte – und 2021 liegen die auf „Stärkung der geburtshilflichen Versorgung“, Einrichtung so genannter hebammengeleiteter Kreißsäle und „Stärkung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen.“ „Wir erfüllen alle drei Kriterien außerordentlich gut und außerordentlich deutlich“, sagt Hans-Jürgen Winkelmann. Die Anträge sind gestellt, die Entscheidung steht noch aus – aber „wir sehen gute Chancen, die Fördergelder nach Siegen zu holen“.
Zahl der Geburten steigt
Innerhalb einer Zehn-Jahres-Perspektive lag die Zahl der Geburten im St. Marien-Krankenhaus Siegen 2012 mit 736 auf einem Tiefststand.Von da aus stieg sie und pendelt nun um die 1200er Marke herum.Analog verläuft die Entwicklung in der Neonatologie an der DRK-Kinderklinik auf dem Wellersberg: Tiefststand 2012 mit 503 Fällen, zuletzt im Schnitt etwa 700 Fälle pro Jahr.
Anfangs soll es im Zentrum 2500 Geburten pro Jahr geben. Langfristig sollen bis zu 8000 möglich sein. Dabei macht sich nicht nur bemerkbar, dass die Geburtenrate seit einigen Jahren bundesweit – und auch in der Region – wieder steigt (siehe Infobox). Zusätzlich sinkt die Zahl der Geburtsstationen und Kliniken massiv. Waren es bundesweit im Jahr 2007 noch 865, sank die Zahl bis 2017 auf 672 und liegt aktuell bei etwa 600, wie Badrig Melekian sagt. 1991 waren es sogar noch 1186.
Eltern-Kind-Zentrum Siegerland: Eröffnung schon 2024/25 denkbar
Für kleinere Kliniken sei es zunehmend schwieriger, die Abteilungen zu betreiben – unter anderem, weil es im Gesundheitsbereich immer komplizierter wird, Fachkräfte zu bekommen. Dieser Trend werde sich aller Voraussicht nach fortsetzen. Bei der potenziellen Marke von 8000 fällt deshalb besonders das riesige Einzugsgebiet des neuen Eltern-Kind-Zentrums ins Gewicht. Die nächstgelegene ähnliche Einrichtung ist in Gießen, damit etwa 80 Kilometer entfernt; es folgen Marburg, Köln, Koblenz, Bonn und Dortmund – Standorte, bei denen von Siegen aus mit locker einer Stunde Fahrtzeit zu rechnen ist.
Die neue Einrichtung auf dem Wellersberg soll auch Fachkräfte in die Region locken. „Große Zentren ziehen Personal an“, sagt Carsten Jochum, Geschäftsführer der DRK-Kinderklinik – weil sie attraktive Arbeitsbedingungen böten. Von daher sei eine solche Zentralisierung auch „ein zukunftsorientiertes Mittel, um Engpässen vorzubeugen“. Sofern die Förderung zugesagt wird, könnten 2022 die Bauarbeiten beginnen. 2024/25 wäre dann mit der Eröffnung zu rechnen.
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